Antifaschisten ausgespäht

■ Bundesweit 92 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern einer rechtsradikalen Organisation durchsucht

Stuttgart (taz) - Bei einer Großfahndung in der gesamten Bundesrepublik waren vorgestern mindestens 92 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der seit zwei Jahren verbotenen rechtsradikalen ANS/NA durchsucht und vier Personen als Rädelsführer verhaftet worden. Die ANS–Fortsetzungs–Organisation, die sich „Die Bewegung“ nennt, hat nach eigenen Angaben derzeit ca. 1.000 Mitglieder und war nach Ansicht des LKA als Untergrundorganisation tätig. Den Tatbestand einer „Kriminellen Vereinigung“ sieht das LKA bisher noch nicht. Bei den Hausdurchsuchungen sollen nach Angaben des baden– württembergischen Landeskriminalamtes insgesamt 600 Beamte eingesetzt gewesen sein. Als Be weismittel habe man lastwagenweise schriftliche Unterlagen, mehrere Computer, Hunderte von Computer–Disketten und mehrere Gaspistolen beschlagnahmt. Darüber hinaus sei eine Mitgliederkartei mit mehreren hundert Namen gefunden worden. Aus den schriftlichen Unterlagen, so das LKA, ginge hervor, daß die ANS–Fortsetzungs–Organisation politische Gegner ausgespäht habe. Das LKA glaubt jetzt, anhand des beschlagnahmten Materials Straftaten gegen Personen und Sachbeschädigungen aus der Vergangenheit aufklären zu können. In rechtsradikalen Kreisen wird von einseitigem Vorgehen durch die Polizei gesprochen. So seien zum Beispiel ausschließlich Gegner des ehemaligen ANS– Führers Michael Kühnen durchsucht worden, die ca. 100 Kühnen– Freunde aber unbehelligt geblieben - obwohl deren politische Ziele dieselben seien. Michael Kühnen war am vergangenen Dienstag nach dreijähriger Haft aus der hessischen Justizvollzugsanstalt Butzbach entlassen worden und hält sich derzeit in Frankfurt auf. Einen Zusammenhang der Durchsuchungsaktion mit der Freilassung Kühnens oder mit den derzeit beginnenden Israel–Wochen in Stuttgart sieht das LKA nicht. Möglicherweise als Reaktion auf die Polizeiaktion sind gestern in Stuttgart Aufkleber mit Hakenkreuzen aufgetaucht. Dietrich Willier