Mol–Atommüll aus einem Störfall

■ Falsch deklarierte Mol–Fässer wurden in der KFA Jülich „zerstörend“ untersucht / Radiologische Analyse des Inhalts spricht für vertuschten Störfall und das Umweltministerium von „normalem Verfahren“

Hannover/Berlin (taz) - Der bisher untersuchte falsch deklarierte Atommüll aus Mol ist Produkt eines Störfalls, wahrscheinlich im belgischen Versuchsreaktor BR3. Dies hat die radiologische Analyse des Inhalts von dreien der 321 „Mol–Fässer“ ergeben, die der Kernforschungsanlage Jülich (KFA) vor zehn Tagen „zerstörend“ untersucht wurden. Nach Angaben von Dr. Reinhard Odoj, der in der KFA Jülich die Untersuchungen durchführt, enthielten die drei aus den AKWs Unterweser und Würgassen stammenden Fässer zwar die Radionuklide Kobalt und Plutonium, definitiv aber kein radioaktives Cäsium. In dieser Zusammensetzung, so erklärte der KFA–Wissenschaftler der taz, könnten die Radionuklide nicht im Normalbetreib aus Brennelementen ausgetreten sein. Hier fehle das Cä sium. Dr. Odoj hält es für unwahrscheinlich, daß im belgischen Atomzentrum Mol radioktives Cäsium nachträglich chemisch aus dem Abfall entfernt worden ist. Seiner Ansicht nach geht das Plutonium und Kobalt auf einen Brennelementschaden an einem plutoniumhaltigen Mischoxid– Brennelement zurück. Nachdem in einem der drei Atommüllfässer, denen in Jülich ein Bohrkern entnommen wurde, in der Mitte ein Stahlbehälter gefunden wurde, sollen noch einmal zehn weitere Fässer in Jülich untersucht werden. Die starke zweite Abschirmung inmitten der Fässer um den eigentlichen radioaktiven Müll, die auch in 106 weiteren in Unterweser lagernden Fässern vorhanden ist, gibt den KFA–Wissenschaftlern weiterhin Rätsel auf. Offenbar, so sagte Odoj, habe man in Mol wohl vor gehabt, den falsch deklarierten Abfall viel weiter aufzukonzentrieren und stärker radioaktives Material in diese zweiten Abschirmungen zu füllen. Dies sei aber anscheinend nicht gelungen. Die zahlreichen offenen Fragen versuchen die KFA–Wissenschaftler heute in Gesprächen im belgischen Mol zu klären. „Ziemlich überrascht“ reagierte die Hanauer Staatsanwaltschaft auf die dubiose Atommüll–Verpackung nach Moler Art. Daß durch die Stahlzylinder–Konstruktion in den Fässern etwas verborgen werden sollte, dieser Verdacht drängt sich für Chefermittler Albert Farwick geradezu auf. Nach den überraschenden Funden werde man, so Farwick zur taz, ganz sicher noch mehr Behälter untersuchen müssen. Dies sei aber auch ein finanzielles Problem. Bis zu 50.000 Mark kostet das Öffnen und Untersuchen eines einzigen der insgesamt 2.000 verschobenen Fässer. „Es ist ja interessant, was heute alles normal sein soll“, reagierte Ingrid Matthäus–Maier auf die Verlautbarung des Umweltministeriums, das in der Stahlzylinder– Konstruktion ein „normales Verfahren“ sieht. Für die Vorsitzende des Bonner Untersuchungsausschusses ist es plausibel, daß mit Hilfe der Stahlzylinder die außen meßbare Strahlung reduziert und damit unzulässiger Müll entsorgt werden sollte. Der Grüne Abgeordnete Michael Weiß glaubt, daß die „komplizierten Einbauten“ der Stahlzylinder–Konstruktion einen Sinn haben müssen. Die bisher gefunden Kobalt– und Plutonium–Spuren reichten alleine nicht aus, um diese Konstruktion zu rechtfertigen: „Da darf jetzt jeder mal spekulieren, was die damit wollten“. Ü.O./man