: Schwulsein als Asylgrund
■ Berliner Verwaltungsrichter: Homosexueller Iraner darf bleiben / Bedeutung als Präzedenzfall bestritten
Aus Berlin Andreas Salmen
Erstmals hat am Dienstag ein bundesdeutsches Gericht in letzter Instanz Homosexualität als Asylgrund anerkannt. Allerdings wies der Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts unter Vorsitz von Richter Korbmacher daraufhin, daß es nicht um eine generelle Anerkennung von homosexueller Orientierung als Asylgrund ginge, sondern das Urteil bezöge sich nur auf die besonderen persönlichen Umstände des Flüchtlings und die Situation in seinem Heimatland Iran. Der 41jährige Fayaz S.–L. war 1980 von Teheran in die Bundesrepublik geflüchtet. Die Begründung für seinen Asylantrag, er sei als Homosexueller besonderer Verfolgung im Iran bis hin zur Todesstrafe ausgesetz, wurde zuletzt vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof am 21.8.86 als verfahrenserheblich anerkannt. Mit der Zurückweisung eines Revisionsantrages des Zirndorfer Bundeamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge bestätigte das Berliner Gericht jetzt dieses Urteil. In der Begründung wurde auf die „schicksalhafte Festlegung des Sexualtriebes“ bei Fayas verwiesen. Da im iranischen Recht auch einvernehmliche homosexuelle Handlungen bestraft würden, sei mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der Verurteilung des Klägers bei einer Rückkehr in den Iran zu rechnen. Als erheblich wurde von Richter Korbmacher Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 auch das „Sonderrecht“ für Homosexeulle im Iran genannt: Im Verfahren müssen nicht wie üblich vier Zeugen aussagen, sondern es reicht das „Wissen des Richters“ zur Bestrafung. Durch die besondere Härte der Bestrafung solle „der Homosexuelle auch in seiner Veranlagung getroffen werden“. Insofern gelte hier auch der Artikel 16 des Grundgesetzes, da dem Betroffenen ein „persönliches Merkmal in ähnlicher Weise wie Rasse oder Nationalität unabänderlich anhafte“. Das Urteil wird explizit mit „dem historischen Hintergund der Sonderbehandlung von Homosexuellen im Dritten Reich“ begründet. Das Gericht ließ sich nicht auf die Argumentation des Kläger–Anwalts ein, der Homosexuelle als verfolgte „soziale Gruppe“ und die Kriminalisierung der Homosexualität als „Verfolgung des Geschlechts“ gewertet wissen wollte. Mit einer solchen Begründung hätten sich auch Homosexuelle aus anderen Staaten oder auch verfolgte Frauen auf dieses Urteil berufen können. Der Vertreter des Bundesamtes in Zirndorf hatte in dem Verfahren betont, es drehe sich im Fall des Iraners um die Frage einer Ausweitung des Asylrechts auf die Verfolgung wegen des Geschlechts. Eine derartige Ausweitung sei jedoch nicht durch die Gerichte, sondern durch die Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention möglich. (Aktenzeichen: 55 BVerwG 9 C 278.86, Urteil vom 15.3.1988).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen