: US–Kongreß in der Defensive
„Sagen Sie mir, wie die Schlagzeilen heißen und ich sage Ihnen, was im Kongreß passiert.“ Der liberale demokratische Senator Christopher Dodd macht sich keine Illusionen über die Standfestigkeit seiner Kollegen, wenn es um die Contra geht. Nach der Reaganschen Propaganda–Offensive der letzten Tage und der ganz offensichtlich innenpolitisch motivierten Entsendung amerikanischer Truppen nach Honduras fürchtet er, daß seine Kollegen im Senat umfallen und einem neuen Antrag auf Finanzhilfe für die Antisandinisten zustimmen. Elf Senatsmitglieder beider Parteien haben am Freitag ein neues Paket vorgelegt, das 48 Millionen Dollar umfaßt und der CIA erlauben würde, in Honduras gelagerte Waffen im Wert von etwa fünf Millionen Dollar nach Nicaragua zu fliegen und dort für Contra–Einheiten abzuwerfen. Die republikanische Senatorin Kassebaum meint, viele ihrer Kollegen seien „auf der Suche nach politischer Deckung. Sie wollen sich nicht mit dem Vorwurf konfrontieren lassen, Nicaragua verloren zu haben.“ Auch Demokrat Dodd gibt diesem Paket gewisse Chancen auf Bewilligung, obwohl sich vor allem im Repräsentantenhaus zahlreiche zweifelnde Stimmen regen, die den jüngsten Behauptungen der Administration keinen Glauben schenken. Denn erst hatte das Weiße Haus verlauten lassen, mehrere tausend sandinistische Soldaten seien über die honduranische Grenze in das Nachbarland einmarschiert, dann lag ein auf zweifelhaften Wegen zustandegekommenes Hilfsersuchen des honduranischen Präsidenten vor, und dann flogen 3.200 amerikanische Soldaten gen Süden. Der honduranische Präsident Azcona gab am Freitag zu, daß die Truppenentsendung zuerst von der Reagan–Administration angeboten worden sei; er habe dann um sie gebeten, weil es ein „spektakuläres“ Zeichen des amerikanischen Verbündeten sei. Jenseits all der kriegerischen Rhetorik droht die Gefahr, daß die „Übungen“ der US–Truppen und die mehrfachen Bombenflüge der honduranischen Luftwaffe zu einer größeren Konfrontation eskalieren. Dies betonten die Teilnehmer an zahlreichen Demonstrationen in den USA, die sich in den letzten Tagen gegen die Truppenentsendung richteten. Meinungsumschwung bei den Demokraten? Reagan verschärfte den Druck auf die Parlamentarier noch weiter, als er ihnen am Samstag abend vorwarf, an der sandinistischen Militäroffensive schuld zu sein: „Der Kongreß hat den kommunistischen Diktatoren die Möglichkeit gegeben, den demokratischen Widerstand zu zerschmettern“, weil er seit Februar zweimal gegen weitere Finanzmittel gestimmt hatte. Einige Abgeordnete in Washington machen es den Sandini sten auch zum Vorwurf, wenige Tage vor einer weiteren Runde der Friedensverhandlungen zwischen Managua und der Contra, die für Montag geplant ist, eine Großoffensive gestartet zu haben. Die Angriffe der sandinistischen Armee auf das Contra–Hauptlager Bocay hätten die Rebellen geschwächt, argumentiert etwa der demokratische Senator David Boren, der nun eher dazu neigt, für neue Waffen und Munition für die Contras zu votieren. Boren unterschlägt dabei, daß nach dem Friedensplan von Guatemala die Lager der Contras in Honduras längst aufgelöst sein müßten. Das „Säbelrasseln“ der Reaganisten in Honduras habe noch einen weiteren Zweck, hieß es aus dem Kongreß. Es solle nicht nur im Kongreß und in der Öffentlichkeit Stimmung machen, damit wieder Dollar an die Contras fließen, sondern auch die Aufmerksamkeit von den Anklagen gegen die vier Hauptübeltäter im Iran–Contra– Skandal ablenken. Am Mittwoch hatte Sonderankläger Walsh nach vierzehnmonatiger Untersuchung Oliver North, Admiral Poindexter, Richard Secord und Albert Hakim in 23 Punkten angeklagt. Sie hätten gemeinsam dem Staat jenem zustehende Erlöse aus dem Waffenverkauf an den Iran vorenthalten, diese Millionensummen illegalerweise der Contra zukommen lassen, sich dabei persönlich bereichert und den Kongreß mehrfach über ihr Tun belogen. Oliver North gab sich alle Mühe, Aufmerksamkeit zu erregen. Erst stellte er sich am Tag der Anklageerhebung den Fernsehkameras und der Presse und betonte seine Unschuld, dann verkündete er am Freitag mit einem weiteren öffentlichkeitswirksamen Auftritt seinen Abschied von den Marines. Der heimliche Held amerikanischer Konservativer, der im Sommer mit seiner Aussage vor dem Irangate–Untersuchungsausschuß eine Woche lang die Fernsehbildschirme beherrscht hatte, begründete dies mit der Vorbereitung auf seinen Prozeß und mit der Möglichkeit, daß er zu seiner Verteidigung möglicherweise Zeugenaussagen und Dokumente von „höchstrangigen Mitgliedern der Regierung“ anfordern müsse. Dies ist eine verhüllte Drohung gegen Präsident Reagan und seinen Stellvertreter Bush, die sich eine spektakuläre Zeugenaussage im Irangate–Prozeß unter anderem durch eine Begnadigung der vier Angeklagten ersparen könnten. Noch sei nicht der richtige Augenblick, um über eine Begnadigung nachzudenken, heißt es dazu aus dem Weißen Haus, denn bis der Prozeß beginnen kann, werden noch viele Monate vergehen. George Bush kann nur hoffen, daß das Gericht nicht vor den Präsidentschaftswahlen im November zusammentritt, denn der Irangate– Skandal hängt weiterhin wie eine dunkle Wolke über seiner Kandidatur. Stefan Schaaf
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