piwik no script img

Thyssen: Illegale Leiharbeit im großen Stil

■ Illegale Leiharbeit, und Bordellbesuche / Ex–Geschäftspartner zahlte über 300.000 DM „Schmiergeld“ / Wegen illegaler Leiharbeit mußte Thyssen siebenstelliges Bußgeld zahlen / Veröffentlichung von Wallraff–Mitarbeiter führt zu Ermittlungen

Aus Duisburg Walter Jakobs

Der größte bundesdeutsche Stahlkonzern, die Thyssen AG, ist vom Düsseldorfer Landesarbeitsamt wegen Verstößen gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (illegale Leiharbeit) mit einem siebenstelligen Bußgeld belegt worden. Wie aus den oberen Thyssen–Etagen durchsickerte, hat das Unternehmen den Betrag inzwischen bezahlt und damit die Gesetzesverstöße anerkannt. Im Zusammenhang mit dem Wallraff– Buch „Ganz unten“ hatte der Thyssen–Sprecher den Vorwurf der illegalen Beschäftigung von Leiharbeitern immer vehement zurückgewiesen. Verstöße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz sind in der gesamten Stahlbranche an der Tagesordnung. Der Duisburger Mannesmann– Konzern zahlte ein sechsstelliges Bußgeld und gegen den Dortmunder Hoesch–Konzern laufen Ermittlungen. Im Zusammenhang mit der illegalen Leiharbeit sind bei Thyssen auch mehrere hunderttausend Mark an Schmiergeld geflossen. Dies behauptet jedenfalls der Ex– Geschäftspartner von Thyssen, Heinrich Nebelsiek. Nebelsiek, inzwischen selbst wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt, war mit seiner Firma „INDO Ofenbau KG“ 16 Jahre lang als Fremdunternehmer bei Thyssen tätig. In dem soeben erschienenen Buch von Frank Berger - „Thyssen gegen Wallraff“, Steidl–Verlag - behauptet Nebelsiek: „Nahezu vom Beginn meiner Tätigkeit für die Thyssen Stahl AG an bis zum Zusammenbruch meiner Firma im September 1984 habe ich an Verantwortliche der Firma Thyssen Schmiergelder zahlen müssen. Diese Gelder wurden teilweise ausdrücklich verlangt. In anderen Fällen legten mir Mitarbeiter von Thyssen private Benzinrechnungen vor, die ich dann in bar erstatten sollte“. Seit 1969, so Nebelsiek in einer eidesstattlichen Versicherung, habe er regelmäßig für Mitarbeiter aus den Stahlkonzernen „Kegelabende“ finanziert. „Im Anschluß an solche Kegelabende kam es häufiger vor, daß einige Teilnehmer, unter ihnen auch Mitarbeiter der Thyssen Stahl AG, noch Striptease–Lokale aufsuchen wollten. Dort wurde dann weitergezecht, außerdem hat man in den Lokalen die Dienste von Dirnen in Anspruch genommen. Die Kosten pro Dirne beliefen sich auf zirka 120 bis 150 DM, dafür bin ich dann ebenfalls aufgekommen. Einmal habe ich auch unabhängig von einem solchen Kegelabend für zwei Thyssen–Mitarbeiter einen Bordellbesuch bezahlt - und zwar unmittelbar bei den Dirnen“. Im Zusammenhang mit der Berger–Veröffentlichung haben die Ermittlungsbehörden die Duisburger Firma Stahlapparatebau–Biesemann, die als Subunternehmer für Thyssen arbeitet, durchsucht und jede Menge Unterlagen beschlagnahmt. Ein anderer „Menschenhändler“, der ehemalige Chef von „Ali“ (Günter Wallraff), Hans Vogel, muß sich demnächst erneut in Duisburg vor Gericht verantworten. Der Bundesgerichtshof gab dem Revisionsantrag der Anklagevertretung statt. Die Verurteilung zu 15 Monaten Haft auf Bewährung und 3.000 DM Geldstrafe schien dem BGH für den EX–Wallraff–Chef unangemessen. Bei Vogel, so die BGH–Richter, habe es sich „um einen besonders schweren Fall von unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung“ gehandelt. Er habe den Gesetzesbruch „gewerbsmäßig“ und „aus grobem Eigennutz“ betrieben. Der Prozeß gegen Vogel soll noch in diesem Sommer vor der 9. Großen Strafkammer in Duisburg beginnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen