Schade: Steuerreform statt kein Kohl

■ Nach neuen Forderungen der CSU drohte Bundeskanzler Kohl im Kabinett angeblich mit Rücktritt / FDP–Sprecher sieht dennoch weiter „Verhandlungsspielraum“ / CSU: „Wir haben nicht klein beigegeben“

Berlin/Bonn (taz/dpa/ap) - Bild und FAZ wußten bereits gestern zu melden, warum die Bundesregierung am Dienstag die Steuerreform so schnell verabschiedet hatte: Die Koalition Kohls sei beinahe an einigen Details des 40–Milliarden–Vorhabens gescheitert. In einer Koalitionsrunde, die der Sitzung des Kabinetts vorausging, war Bundeskanzler Kohl offenbar der Kragen geplatzt, als die CSU weitere Änderungen in der 500–Seiten– Vorlage beantragte und die FDP– Vertreter das ablehnten. Zornig hatte der Kanzler auf den Tisch gehauen und angekündigt, er werde dann zum Bundespräsidenten gehen und sagen: „Die Sache ist zuende.“ Kohl soll ausgerufen haben, er lasse sich nicht zum Affen machen (FAZ), oder auch: sich wie einen Tanzbären vorführen (dpa). Danach war die Steuerre form im Kabinett ohne Gegenstimmen verabschiedet worden. Der CSU–Vorsitzende und Sportflieger Strauß hatte vier Änderungen verlangt, darunter auch die Steuerbefreiung für Flugbenzin. FDP–Wirtschaftsminister Bangemann lehnte das als Subvention ab. Ebenfalls gegen die FDP– Position war das Begehren gerichtet, die Verzinsung von Lebensversicherungen nicht zu versteuern - das dürfte sich vor allem auf die FDP–Wählerschaft zielen. Ärger droht dem Kabinettschef auch noch aus Baden–Württemberg, denn Wahlgewinner Späth hatte sich im Wahlkampf entgegen den Bonner Absichten für eine niedrigere Versteuerung von Jahreswagen starkgemacht. Teilnehmer an der Koalitionsrunde - so die FAZ weiter - hatten das Gespräch als das „brisanteste“ geschildert, das sie jemals erlebt hät ten. Das Kanzleramt wollte die Äußerungen Kohls später nicht als Rücktrittsdrohung verstanden wissen - daß die Koalition am seidenen Faden gehangen habe, wurde umgehend dementiert. Indes stellte CSU–Generalsekretär Tandler, der an dem Gespräch teilgenommen hatte, klar, daß die CSU nicht klein beigegeben habe - das sei „reiner Quatsch“. Die strittigen Punkte würden schließlich in den kommenden Wochen noch einmal überprüft. Auch für den finanzpolitischen Sprecher der FDP, Solms, besteht noch „Verhandlungsspielraum.“ Solms sieht „überhaupt keine Möglichkeit“, daß der Bund noch in dieser Legislaturperiode die Länder und Gemeinden entlastet und einen Teil der Sozialhilfekosten übernimmt. Gestern berieten die Finanzexperten mit Vertretern der gebeutelten Bundesländer und Kommunen über die Konsequenzen der Steuerreform - der Bund hat nur 9,5 der 21 Milliarden Mark Einnahmen–Ausfälle zu tragen. diba