: Stillegung des AKW Biblis beantragt
■ Hessischer Umweltminister muß über neue Anträge zur Abschaltung des AKWs befinden / Biblis technisch veraltet / Zuverlässigkeit der Betreiber bezweifelt / Stillegung auch für Würgassen und Obrigheim beantragt
Bensheim (taz) - Sechs BürgerInnen haben beim hessischen Umweltminister einen Antrag zur Stillegung des Atomkraftwerkes Biblis eingereicht. Sie stützen sich dabei auf Paragraph 17 Absatz 5 des Atomgesetzes, wonach die Betriebsgenehmigung für ein AKW dann widerrufen werden muß, wenn mit einer Gefährdung für die Allgemeinheit, Dritte oder die Beschäftigten zu rechnen ist. Nach Überzeugung der BürgerInnen, unter ihnen der evangelische Pfarrer aus Biblis, Winfried Penk, würden die beiden Reaktorblöcke in Biblis „heute nicht mehr genehmigt werden“. Die Anlage gelte heute als „veraltet“. Sie sei nicht gegen Flugzeugabstürze ausgelegt; die Auslegung gegen Erdbeben sei genauso mangelhaft wie der Schutz gegenüber Sabotage, und dem Reaktor fehle es an einem verbunkerten Notstandsgebäude und einem „vorschriftsmäßigen Notstandssystem.“ Vor Journalisten begründeten zwei der Bürger, warum sie zum jetzigen Zeitpunkt ihren Stillegungsantrag dem hessischen Umweltministerium zugestellt hätten. Die Initiative ging von dem „Verein gegen Umweltzerstö rung - Für das Leben unserer Kinder e.V.“ aus, der im November 86 einstimmig beschlossen hatte, den Ausstieg aus der Atomenergie einzuklagen. Bedingt durch die Skandale um Transnuklear, Tschernobyl und auch andere, sei nun der Zeitpunkt gekommen, die entsprechenden Anträge zu stellen, sagte Klaus Vack vom Komitee für Demokratie und Grundrechte vor Journalisten. Vack ist einer der Kläger und wohnt ca. 70 km östlich von Biblis. Bislang, so Vack, habe man in den Genehmigungsanträgen weitgehend die Perfektion des menschlichen Handelns unterstellt. Doch inzwischen seien erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit der Betreiber - wie sie das Atomgesetz vorsieht - angebracht. Vack verwies darauf, daß z.B. „ausgerechnet“ der Sicherheitsbeauftragte und der Strahlenschutzbeauftragte mit einer hohen Abfindung fristlos entlassen wurden. Möglicherweise sollten mit den Abfindungen weitere Unregelmäßigkeiten verdeckt werden. Der Bibliser Pfarrer Penk verwies darauf, daß es für ihn entsprechend dem Kalkar–Urteil des Bundesverfassungsgerichts einen „dynamischen Grundrechtsschutz“ gibt. So müßte auch die Frage nach dem Restrisiko neu diskutiert werden. Für das AKW Würgassen haben mehrere BürgerInnen ebenfalls einen entsprechenden Antrag gestellt. Auch für das AKW Obrigheim soll demnächst ein Stillegungsantrag eingereicht werden. Felix Kurz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen