: Österreich von WAA „signifikant gefährdet“
■ Gutachten leitet aus dem Völkerrecht Mitsprache– und Mitentscheidungsrecht Österreichs an der WAA ab / WAA völkerrechtlich unzulässig / Alpenrepublik soll Internationalen Gerichtshof anrufen / „EinWAAnds“–Kampagne läuft in Salzburg auf Hochtouren
Aus Salzburg Bernd Siegler
„Insgesamt hat die Republik Österreich effiziente Möglichkeiten, den Bau der WAA zu erschweren, vielleicht sogar sie zu verunmöglichen.“ Gestern stellte die „Projektgruppe Wiederaufarbeitung Salzburg“ vom Senatsinstitut für Politikwissenschaft der Universität ihr Gutachten in Wien der Öffentlichkeit vor. Die Studie flankiert die derzeit in der Alpenrepublik auf Hochtouren laufende Einwendungskampagne gegen die zweite atomrechtliche Teilerrichtungsgenehmigung der WAA in Wackersdorf. Während die bayerische Staatsregierung sich standhaft weigert, die entsprechenden WAA–Unterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung z.B. auch in Salzburg auszulegen, leitet das Gutachten der beiden Sozialwissenschaftler Erfried Erker und Georg Schöfbänker aus dem Völkerrecht ein klares Mitsprache– und Mitentscheidungsrecht der Republik Österreich an der bundesdeutschen WAA ab. Voraussetzung für einen derar tigen völkerrechtlichen Anspruch sei das Vorliegen eines „nicht hinnehmbaren oder signifikanten Umweltrisikos“. Schon allein aus der Grenznähe der WAA, der geographischen Lage und den metereologischen Bedingungen ließe sich - so die von der Jungen Generation der SPÖ, den österreichischen Jusos, in Auftrag gegebene Studie - eine Anspruchsvoraussetzung der Alpenrepublik begründen. Die Städte Salzburg und Linz sind nur 125 bzw. 170 Kilometer von der WAA entfernt. Der Vorfluter der WAA, die Naab, mündet in die Donau, aus dem Wien 15 Prozent seines Trinkwassers gewinnt. Die Windverteilung am Standort in der Höhe der Abgasfahne (200 Meter) läßt nach einer Studie des österreichischen Umweltbundesamtes „zu mehr als der Hälfte westliche Richtungen“ (Richtung Österreich) erwarten. Im Staubereich des Alpenvorlandes könne es zudem „zu einer fallweise erhöhten Boden–Deposition durch Kombination von fallout– und washout–Vorgängen kommen“. Nach Ansicht der Gutachter wi derspricht die Anlage in der Oberpfalz dem sogenannten völkerrechtlichen Diskriminierungsverbot und dem Gebot der fortschrittlichsten Technologie. Einmal in der BRD getroffenen Kriterien wurden demnach ignoriert bzw. revidiert, „nur um die WAA in ihrer jetzigen Auslegung genehmigungsfähig zu halten“. Die Studie erinnert an die schon 1975 vom Bundesinnenministerium geforderte fast vollständige Rückhaltung des radioaktiven Gases Krypton. Tatsache in Wackersdorf ist jedoch die vollständige Abgabe von Krypton an die Luft. Neben Privatklagen führen die Autoren als Maßnahmen gegen die WAA von seiten der Alpenrepublik vor allem die Beteiligung am derzeit laufenden Einwendungsverfahren an. Dazu fordern sie die Auslegung des Sicherheitsberichts der WAA in Österreich und dessen Begutachtung durch eine unabhängige österreichische Expertenkommission. Sie regen eine Koalition der sogenannten „atomfreien“ Länder als Vorreiter für eine „Internationalisierung der Debatte über den Kernener gieausstieg“ an. Österreich soll vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag „eine Klärung der Völkerrechtsverträglichkeit bzw. der möglichen Völkerrechtswidrigkeit der WAA“ herbeiführen. Damit könne man einen „völkerrechtlichen Präzedenzfall“ für den Betrieb von WAAs schaffen, zumal die WAA–Wackersdorf „die erste und einzige Anlage in Europa“ ist, die nicht an einer Küste liegt, sondern in rundum dicht besiedeltem Gebiet. Als Voraussetzung für all diese Schritte sehen die Autoren lediglich das Vorhandensein des politischen Willens an. Sieht man sich die derzeit mit Schwerpunkt im Raum Salzburg laufende „EinWAAnds“–Kampagne gegen die zweite Teilerrichtungsgenehmigung der WAA an, scheint das keine Frage zu sein. Selbst die Salzburger Ausgabe der Kronenzeitung, die dort täglich 166.000 Leser hat, beteiligt sich an der Kampagne. Der östereichische BILD–Verschnitt hat diesem Thema mehrmals Titel– und Doppelseiten gewidmet und druckt wöchentlich kostenlos die „EinWAAnds“–Formulare zum Ausschneiden ab. Der Magistrat von Salzburg hat an alle Haushalte der Stadt die Zeitung Info–Z mit den Formularen verschickt. Die SPÖ und FPÖ übernehmen im Land Salzburg die Plakatierung, die ÖVP sorgt dafür, daß die Formulare über Ostern auch in den Kirchen ausliegen. Der ganze Stadtrat von Salzburg mit Bürgermeister Josef Reschen an der Spitze erhebt Einwendungen, ebenso der Wiener Bürgermeister Helmut Zilk. Selbst der Salzburger Landeshauptmann Haslauer, der sich vorher in Sachen WAA sehr bedeckt gehalten hat, will jetzt Einwendungen gegen die WAA erheben. Die Salzburger „Überparteiliche Plattform gegen die WAA“ spricht schon von einem großem Erfolg der Kampagne und einem guten Klima hierzu in der Alpenrepublik. „Wir wissen, daß wir in Deutschland oft als die armen Hascherl belächelt werden, die sich vor einer WAA fürchten“, so Maria Fellner von der Plattform, „aber hier bei uns werden die fortschrittsgläubigen WAA–Befürworter belächelt.“
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