Stahlkocher sprengen Sitzung

■ Etwa 100 Stahlarbeiter erzwangen Verhandlungsunterbrechung / Gespräche zwischen Vorstand und Betriebsrat über das Alternativmodell / Am Montag und Dienstag Teilstreiks auf der Krupp–Hütte

Aus Bochum Walter Jakobs

Mehrere hundert Stahlarbeiter aus Rheinhausen haben am Diestag die Arbeit niedergelegt, um stattdessen nach Bochum zu fahren, wo am Morgen die Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und dem Krupp–Vorstand über das vom Betriebsrat vorgelegte Alternativkonzept begannen. Schon Montag abend war in Rheinhausen erneut gestreikt und demonstriert worden. In Bochum drangen dann etwa 100 Stahlkocher bis in den Verhandlungssaal vor und forderten vom Vorstand „endlich klare Worte“ zur Rettung von Rheinhausen. Die Stimmung, so ein Stahlkocher, „ist wieder bombig bei uns, wie im Dezember“. Zu der gereizten Atmosphäre hat ein erneuter Drohbrief des Vorstandes beigetragen. In dem Schreiben wird für den Fall von weiteren Arbeitsniederlegungen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Unter Hinweis auf § 2 (vertrauensvolle Zusammenarbeit) des Betriebsverfassungsgesetzes wird der Betriebsrat aufgefordert, darauf hinzuwirken, daß die Produktion weiterläuft. Den Produktionsausfall habe nicht die Belegschaft oder der Betriebsrat zu verantworten, sondern allein der Vorstand, hielt BR–Vorsitzender Manfred Bruckschen unter dem Beifall der Stahlkocher dem Vorstand entgegen. Bruckschen wörtlich: „Wenn der Vorstand sein Konzept vom Tisch nimmt, läuft alles wieder normal“. Genau damit ist nach den gezielt gestreuten Informationen aus der Krupp– Vorstandsetage aber nicht zu rechen. Wie wenig ernst der Krupp– Vorstand das Konzept nimmt, unterstreicht die Abwesenheit von Krupp–Stahl–Chef Dr. Cromme. Cromme, selbst schon im Osterurlaub, überließ die Gespräche seinem Vorstandskollegen Fischer, der den Stahlkochern mit nebulösen Formulierungen kam. Fischer wörtlich: „In wichtigen Fragen haben wir grundlegende Fragen an den Betriebsrat“. So seien die im Alternativkonzept zugrunde gelegten Absatzmengen „vom Markt her in keiner Weise nachvollziehbar“. In Wirklichkeit geht es um diese Fragen gar nicht mehr. Das BR–Konzept einer Gemein schaftshütte von Krupp und Mannesmann mit zwei Standorten in Huckingen und Rheinhausen, wurde schon von Krupp–Stahl gegenüber Journalisten für tot erklärt, noch ehe es dem Vorstand überhaupt vorlag. Der Grund ist einfach: Dem Vorstand geht es nicht um den Abbau von Verlusten, sondern um die Erzielung von Maximalprofiten. Und gemäß dieser Maxime ist das Vorstandsmodell tatsächlich unschlagbar. Während der Vorstand mit seinem Modell - neben den einmaligen Schließungsprämien - einen jährlichen Gewinn von etwa 150–200 Mio DM erzielen könnte, läßt das Betriebsratsmodell günstigstenfalls 10 erwarten. Deshalb lag jener Stahlkocher am Dienstag wohl nicht ganz falsch, der die ganzen Verhandlungen als „Verarschung“ bezeichnete. Der Zorn einer ganzen Reihe von Stahlarbeitern traf im übrigen auch den Betriebsrat, der mit seiner Aufforderung an die Kollegen, wieder nach Rheinhausen zurückzufahren, „alles kaputt gemacht“ habe. „Wir hätten hier bleiben und hier Druck machen müssen“, lautete einer der vielen frustrierten Kommentare.