: Poker um Buschhaus
■ Den Helmstedter Kraftwerken droht bald die Stillegung wegen Überschreitung der Emissionsobergrenze / Erteilt Umweltminister Ausnahmegenehmigung?
Aus Hannover Jürgen Voges
Gleich zweimal haben die Sozialdemokraten sich in dieser Woche zum Dauerskandal „Buschhaus– Entschwefelung“ zu Wort gemeldet. Der Kraftwerklobbyist und SPD–Bundestagsabgeordnete Horst Niggemeier, wollte den BKB–Kraftwerken einen höheren Schadstoffausstoß erlauben. Der SPD–Fraktionsvorsitzende im Niedersächsischen Landtag, Schröder, verlangte eine Sondersitzung des Umweltausschusses in Hannover, um sich über Ernst Albrechts „modernste Rauchgasentschwefelungsanlage der Welt“ informieren zu lassen, die ein dreiviertel Jahr nach der Einweihungs–Show immer noch nur knapp die Hälfte ihrer Leistung bringt. Schröder befürchtet, was Niggemeier verlangt: Der niedersächsische Umweltminister Remmers könnte die Ruhe nach den Osterfeiertagen nutzen, um einem neuen Buschhaus–Plan zu verkünden. Um eine Stillegung der BKB– Kraftwerke und Kurzarbeit der Beschäftigten zu vermeiden, könne der Umweltminister der BKB per Ausnahmeregelung erlauben, das in der Buschhaus–Genehmigung festgelegte Emissionsmaximun von 35.000 Jahrestonnen Schwefeldioxid (SO 2) zu überschreiten. Diese Obergrenze gilt laut Buschhaus–Vertrag, der der BKB 322 Millionen DM an öffentlichen Geldern für den Bau der Entschwefelungsanlage einbrachte, für das am 30. Juni 1988 endende Schadstoffjahr und für die Gesamtemission aller BKB– Kraftwerke, die drei Kraftwerke in Offleben eingeschlossen. Bereits bis Oktober vergangenen Jahres hatte die BKB 26.000 dieser 35.000 Jahrestonnen emittiert, Ende Januar waren es dann schon über 31.000 Tonnen. Doch seit einiger Zeit scheinen die Emissionen im Helmstedter Revier auf wundersame Weise überhaupt nicht mehr anzusteigen. „Die bisherigen Emissionen liegen irgendwo zwischen 32.000 und 33.000“, lautet seit einiger Zeit immer wieder die Auskunft des Umweltministeriums. Es gebe lediglich „Kontakte“ mit dem Betreiber und keine Verhandlungen, entgegnet der Sprecher des Umweltministeriums auf die Befürchtung der SPD. In Wirklichkeit steht der BKB das Wasser bis zum Hals, und verhandelt wird zur Zeit nicht nur mit dem Umweltministerium, beteiligt ist auch die BKB–Mutter PreussenElektra und der Erbauer der Entschwefelungsanlage, die in Frankfurt ansässige Firma Davy MacKee Deutschland. Die BKB macht seit längerem mit ihren Kraftwerken Millionenverluste. Die nur zu 25 Prozent entschwefelten Kraftwerksblöcke Offleben A und B können nicht mehr mit Braunkohle, sondern müssen mit schwefelarmem Heizöl befeuert werden. Das Kraftwerk Buschhaus liegt nach Angaben des Umweltministeriums zur Zeit völlig still, die defekte Entschwefelungsanlage kann nur die Abgase des Block C von Offleben reinigen. Die Braunkohleförderung hat die BKB bereits eingestellt, die Bergleute werden mit vorgezogenen „Abraumarbeiten“ beschäftigt. Um die Entschwefelunganlage voll in Betrieb zu nehmen, so erklärt der Sprecher von Davy MacKee, müsse man zusätzliche Anlagen zur Abscheidung von Natriumsulfat einbauen. Man hoffe, diesen Umbau bis Ende des Jahres abzuschließen. Gleichzeitig bestätigt der Firmensprecher, daß die BKB bei dem Anlagenbauer Schadensersatzforderungen für die defekte Entschwefelung geltend macht. Ob die beteiligten Firmen die finanziellen Folgen der Buschhaus– Pleite voll tragen werden, oder ob das ganze wieder zu Lasten der Umwelt gelöst wird, das ist das eigentliche Thema der Verhandlungen hinter den Kulissen. Für den Fall des Überschreitens der 35.000–Tonnen–Grenze will allerdings die SPD wieder die Frage der Rückzahlung von Buschhaus– Subventionen zum Thema machen. Auch der Berliner Rechtsanwalt Rainer Geulen bereitet für diesen Fall schon die Klage vor. Für ihn wäre dies eine wesentliche Änderung der Betriebsgenehmigung, die nur nach einem förmlichen Verfahren unter erneuter Beteiligung der Öffentlichkeit möglich wäre.
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