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Politstrafen gegen Strommastsäger

■ Neun Jahre Knast als Höchststrafe im Münchener Prozeß gegen drei Jugendliche / Weitere Strafen: Sechseinhalb Jahre und 18 Monate Jugendhaft / Generalprävention als Ziel ausdrücklich genannt

Von W. Zimmermann–Hedewig

München (taz) - Im ersten großen Strommast–Prozeß in der Bundesrepublik hat ein Münchener Gericht die drei Angeklagten trotz breiter Würdigung strafmindernder Gründe zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Beobachter sprachen nach dem Urteil vor der Jugendstrafkammer des Landgerichts München von einem Politzuschlag. Zu einer Gesamthaftstrafe von neun Jahren verurteilte die Kammer den 25jährigen Rudolf G. wegen Störung öffentlicher Betriebe, Eingriffe in den Bahnverkehr, Brandstiftung und fahrlässiger Herbeiführung einer Explosion. Wegen der gleichen Delikte erhielt der 20 Jahre alte Matthias Z. eine Jugendstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Die 23jährige Daniela N. wurde als Mittäterin in einem Fall und wegen Beihilfe in zwei Fällen zu einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Mit diesen Urteilen liegt die Kammer zwischen den von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafen von 12 Jahren und dem von den Verteidigern als vertretbar bezeichneten Strafrahmen. Daniela N. wird am 12. April entlassen werden, da sie dann zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat. Dennoch wird ihr der Verteidiger den Gang in die Revision empfehlen. Auch die Verteidiger von G. und Z. erwägen diesen Schritt für ihre Mandanten. Der umfangreichen Anklage zufolge hatten die beiden Männer von September 1986 bis April 1987 insgesamt zehn Straftaten verübt, darunter im März 1987 einen Anschlag auf die S–Bahn bei Starnberg, der die kurzzeitige Entgleisung eines Zuges verschuldet hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte darin einen Mordversuch gesehen. Die beiden Männer hatten ferner im September und Oktober 1986 im Landkreis Starnberg Strommasten umgesägt und kurz vor ihrer Festnahme einen Brandanschlag auf eine Elektronikfirma in Tutzing im Landkreis Starnberg verübt. Sie waren im Prozeß wie schon im Ermittlungsverfahren umfassend geständig. Der Vorsitzende Richter Klaus Poleck betonte, das Gericht hätte schwere und gefährliche Straftaten zu würdigen gehabt. In erster Linie sei aber nicht die Schwere der Straftaten, sondern das Maß der Schuld jedes einzelnen Täters zu berücksichtigen gewesen. In der Urteilsbegründung zeichnete Poleck sein Persönlichkeitsbild der Angeklagten. Nicht politische Terroristen oder sogenannte Radikale hätten hier zugeschlagen. Zwar habe eine - eher diffuse - politische Motivation am Rande eine Rolle gespielt, sei aber nicht erster Beweggrund gewesen. Der habe in der persönlichen Frustration und in einer etwas seltsam anmutenden Abenteuerlust von G. und Z. gelegen, „die sich bestätigen und sich geFortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4

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