: Die Misthaufen von Colombey
■ Die taz schnupperte in de Gaulles Heimatort
Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der größte Gaullist im Land? Chirac, Barre oder Mitterrand? Chirac nennt sich und seine Partei gaullistisch. Barre wirbt derzeit mit den Worten des Generals für seine Kandidatur: „Du serieux, du solide du vrai“ - ernsthaft, solid und wahrhaftig will er sein. Und Mitterrand? Nachdem er die Kommunisten verbraucht hat, will er nun mit Sozialisten und Zentrum regieren. Solch übergeordnete Parteilosigkeit war nicht zuletzt des Generals Steckenpferd. Auch De Gaulle regierte einst mit den Kommunisten und später nicht mehr. Die Schneewittchen–Frage macht also durchaus Sinn. Das Spieglein sollte - wo sonst? - in Colombey–les–2– eglises stehen. Der General war in diesem Bauerndorf nahe Chaumont, wo er heute unter schlichtem Marmor liegt, zuhause. Die Leute kannten ihn. Am besten wohl sein direkter Nachbar, der Bauer Yves Consigny. Yves Consigny ist kein reicher Mensch. Er hat vierzig Kühe und 100 Hektar Land, das ist in dieser Gegend nicht gerade viel. Als der Vater noch lebte, kam der General oftmals zum Aperitif. Monsieur Consigny erinnert sich auch noch an Konrad Adenauer, als der nach Colombey kam, und 25 Jahre später schüttelte er Helmut Kohl vor der Haustür die Hand. Zudem ist Monsieur Consigny ein Mann, mit dem man reden kann - im Gegensatz zum stummschweigenden Rest der Dorfbevölkerung. „Hier im Ort“, sagt also Yves Consigny, „sind wir alle für Chirac. Wir sind Bauern, und da ist man korporatistisch eingestellt.“ Das klingt fast wie ein Selbstvorwurf. „Korporatistisch“ war eins der Worte, so weiß wohl Monsieur Consigny, die dem General nicht gefielen. Und Barre? „Barre“, sagt Yves Consigny, „war als Premierminister zu unbeliebt. Er predigt zu viel und er ist zu sehr Professor.“ Stimmt: Der General brauchte Frankreich nicht zu belehren, er verkörperte Frankreich. Bleibt nur noch Mitterrand. „Um ehrlich zu sein“, sagt jetzt Yves Consigny und beginnt zu flüstern: „Ich wähle nicht Mitterrand, weil er den General zu sehr bekämpft hat.“ Aber ist das denn heute noch ein Grund? Monsieur Consigny winkt ab. Er schmunzelt und sticht die Forke in den Misthaufen. Wenn nur der General den Mist von heute noch riechen könnte .. er würde den Geruch wiedererkennen!
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