: Teurer Wohnen für Stoltenbergs Säckel
■ Bundesrat berät über Aufhebung der Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen / Höhere Mieten befürchtet
Aus Berlin Eva Schweitzer
Ein Unterpunkt der großen Stoltenbergschen Steuerreform beschäftigt derzeit die Gemüter. Es geht um die geplante Aufhebung der Steuerbefreiung für gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen (GWU), von der sich Stoltenberg 100 Millionen Mark zusätzlicher Steuern erhofft. Mieterverbände, SPD, Grüne, Gewerkschaften und die Bauminister und -Senatoren auch der CDU–regierten Länder befürchten durch diese Maßnahme, gültig ab 1990, enorme Auswirkungen auf die acht bis zehn Millionen MieterInnen der GWU. Das sind rund ein Viertel aller MieterInnen in der Bundesrepublik, die vor allem in den großstädtischen Ballungsräumen leben. Denn die Unternehmen können noch weit mehr als die 100 Millionen Mark an Steuern, die sie dann zahlen müssen, bei ihren MieterInnen holen. Auf 1,3 Milliarden Mark jährlich schätzt das Darmstädter Institut für Wohnung und Umwelt den „Mieterhöhungsspielraum“, der bis 1995 erreicht werden kann. Die Wohnungsgemeinnützigkeit verpflichtet die Unternehmen, nur die Kostenmiete zu berechnen. Nach der Aufhebung der Steuerbefreiung dürfen sie sich an die Marktmiete angleichen, in Sprüngen von maximal 30 Prozent im Lauf von drei Jahren. Während die Kostenmiete im Sozialen Wohnungsbau um sechs Mark pro Quadratmeter liegt, im Altbau oft darunter, liegt die Marktmiete je nach Stadt ab sieben Mark pro Quadratmeter, in teuren Städten wie München sogar bei 20 Mark. In der Bundesrepublik gibt es 3,4 Millionen Wohnungen, die der Gemeinnützigkeit unterliegen, davon eine Million im Altbau bzw. freifinanziert, bei denen die Bindung an die Kostenmiete sofort fällt. Der Rest sind Sozialwohnungen, die stufenweise aus der Bindung fallen, davon 1,5 Millionen bis 1995. Der Mieterhöhungsspielraum würde hier nach einer Berechnung des Berliner Mietervereins bei 224 Mark je Wohnung im Monat betragen. Aber nicht nur die Mieten steigen. Die Begrenzung auf vier Prozent Gewinnausschüttung, die Investitionspflicht in den Wohnungsbau und der Kündigungsschutz bei Eigenbedarf des Vermieters entfallen, so daß dem Verkauf und der Umwandlung in Eigentumswohnungen Tür und Tor geöffnet werden. Die Städte, denen gemeinnützige Wohnungsbauunternehmen gehören, aber auch Großkonzerne wie die VEBA im Ruhrgebiet, die eine GWU–Tochter hat, werden versuchen, Gewinne aus ihrem Wohnungsbestand zu schöpfen, befürchtet der Sprecher des Deutschen Mieterbundes, Kampmann. Die Argebau, die Arbeitsgemeinschaft der Wohnungsbau– Minister der Länder, beschloß am 17.März des Jahres, an der Steuerbefreiung für Gemeinnützigkeit festhalten zu wollen. Auch in der Bonner CDU–Fraktion ist dieser Punkt umstritten. Deren baupolitischer Sprecher, Dr. Kansy, sagte, ursprünglich hätte auch die CDU–Fraktion die Gemeinnützigkeit nicht aufheben, sondern reformieren wollen, wie es auch SPD und Grüne fordern. Wesentliche Kritik Dr. Kansys ist, daß bei der Anfangsbilanz der ehemalig gemeinnützigen Unternehmen nach der Steuerreform die sogenannten „Buchwerte“ der Häuser statt der meist höheren „Verkehrswerte“ gelten. Dies führe zu einer höheren Besteuerung, auf die im wesentlichen die Mietsteigerungen beruhten. Diese höhere Anfangsbesteuerung hat die Unternehmen selbst auf den Plan gerufen. In einer späten und schwammigen Stellung nahme vom 9.Februar erklärte der Gesamtverband der GWU, der 600 gemeinnützige und 1.200 Mietergenossenschaften umfaßt, man werde dafür streiten, daß „mit oder ohne Wohnungsgemeinnützigkeit ein dauerhaft gesichertes Wirtschaften“ möglich sei. Der Verband kündigte unmißverständlich an, daß man sich nach Aufhebung der Steuervergünstigungen nicht mehr an die Bindungen des Gesetzes, vor allem die Mietbindung, aber auch die Gewinnbeschränkung halten werde. Der Wettbewerb des Marktes werde die Unternehmen zwingen, „neue Wege“ zu gehen. Die neuen Wege werden teuer, befürchtet der wohnungspolitische Obmann der SPD, Franz Müntefering. Denn die ehemaligen GWU können dann Verluste von der Steuer abschreiben. Der Bundesrat, ohne dessen Zustimmung das Gesetz nicht über die Bühne geht, muß bis Ende Mai darüber beraten haben, damit die Steuerreform vor der Sommerpause im Bundestag beschlossen werden kann. Ob die Länder bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben, wird sich zeigen. Bundesbauminster–Sprecher Ekhoff ist optimistisch: „Die werden schon zustimmen.“
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