: D O K U M E N T A T I O N „Die Gespräche mit den Politikern fangen an, Früchte zu zeigen“
■ Auszüge aus den der taz zugespielten Protokollen / Die Telefonate führte Krupp–Stahl–Chef G. Cromme mit Thyssen–Stahl–Chef H. Kriwet und Krupp–Stahl–Arbeitsdirektor K. Meyerwisch
Gespräch zwischen Gerhard Cromme (Krupp) und Heinz Kriwet (Thyssen) am Nachmittag des 8.1.1988. Cromme schildert die Situation in Rheinhausen und sagt dann wörtlich: „Die Presse trifft das, wie das wirklich im Kern abläuft, schon nicht mehr richtig. Das bröckelt jetzt doch massiv ab. ...Also, die Leute wollen arbeiten, vor allem, nachdem wir jetzt ganz knochenhart die Gefahren - also wer nicht da ist, kriegt nichts, was das auch immer für Gründe waren. Und zum zweiten haben wir den Bochumern offiziell zugesagt, ihr kriegt die Brammen (Rohstahlblöcke,d.R.), ganz egal wo sie herkommen - und das führt jetzt alles doch dazu, daß die Dinge jetzt weiterlaufen.... Letztlich - und damit sind wir bei dem Grund, weshalb ich Sie anrufe - weil Sie sehen, daß die Gespräche, die auch höheren Orts mit den Politikern, Beispiel Jochimsen (NRW–Wirtschaftsminister, d.R.) und so, im Grunde anfangen, Früchte zu zeigen, selbst wenn sie im Detail manchmal dann nicht richtig wiedergegeben werden. Jetzt diese Sache Massenentlassungen, da war bei uns die Überlegung, das ist ja mal wieder absoluter Unsinn, sollten wir zu dritt (Mannesmann, Krupp, Thyssen, d.R.) noch mal aktiv werden und einfach noch mal wieder sagen, daß so etwas nie gewollt worden ist. Kriwet: Herr Cromme, das Interview von Jochimsen (Der hatte gegenüber der Rheinischen Post den geplanten Versuch als „in der Sache vernünftig“ dargestellt d.R.) hat ja zwei Seiten. Die eine Seite ist, er hat am Anfang gesagt, diese Zusammenarbeit ist vernünftig. Cromme: Ja, wofür er tüchtig Prügel zur Zeit kriegt. Kriwet: Ja, ja, und dann hat er den Unsinn mit den Massenentlassungen gesagt (laut Rheinischer Post sprach Jochimsen von „plötzlicher Ankündigung von Massenentlassungen“, d.R.), und ich frage mich - wir könnten ihn ja nur frontal angehen, dann müßten wir allerdings auch Herrn Vogel frontal angehen, der das ja auch erklärt hat; dazu sind wir im Prinzip selbstverständlich bereit - und ich frage mich, nachdem Herr Jochimsen so weit gegangen ist und gesagt hat, ich betrachte das als vernünftig, ob wir ihn jetzt wegen der Massenentlassungen angehen. Cromme: ...Ja gut, ich neige fast dazu, nachdem er jetzt ja doch viel goodwill gezeigt hat und letztlich ja auch uns was auf die Finger geben mußte, damit er überhaupt noch das andere sagen konnte...Der ist heute nachmittag in Rheinhausen, und die IG–Metall und die Betriebsräte laufen schon Sturm... Kriwet: ... in der Situation neige ich eher dazu, ihn zu schonen. Cromme: Ja, einverstanden. Völlig klar. Gut, dann ist es so. Wir waren gestern abend im Kabinett, also der Ministerpräsident, der Wirtschaftsminister mit seinem Staatssekretär, der Fraktionsvorsitzende Farthmann und Heinemann und... Kriwet: Sie als Krupp–Vorstand? Cromme: Und Mannesmann. Wir waren zusammen da und haben das alles noch mal episch dargelegt und gesagt, das muß gemacht werden und das wird gemacht, und die Meinung war dort - aber so können wir es natürlich nicht bringen - ja macht es möglichst schnell, denn dann ist das Thema gelöst usw., und der Krach ist weg. Auf der anderen Seite - einverstanden - es gibt ja gewisse Ablaufschemen, und da haben wir auch drüber gesprochen, und die muß man auch berücksichtigen, und außerdem, wenn es denn hinterher schief geht, und es alles wieder hochgespült wird, den Schaden haben wir und nicht an dere. Und wir müssen natürlich höllisch aufpassen, daß wir da nicht jetzt unter die Räder kommen. Das tun wir auch und haben da auch ganz gute Ideen und Ansätze. „Den Krings auch noch bearbeiten“ Gespräch zwischen Gerhard Cromme und dem Arbeitsdirektor der Krupp–Stahl AG, Karl Meyerwisch, ebenfalls am Nachmittag des 8.Januar. Cromme: Herr Meyerwisch, wie sieht es in Rheinhausen aus? Wie beurteilen Sie die Situation, was heute da alles gelaufen ist? Wie schätzen Sie das ein, was sagen Ihre Leute? Meyerwisch: Auf der Mittagsschicht ist die Produktion wieder aufgenommen worden....Bei dem Besuch von Heinemann und Jochimsen sind lediglich 80–100 Leute unten vor der Verwaltung gewesen, es war auch nichts Größeres geplant... Cromme: ... Ganz egal wer, wir müssen Tag und Nacht für Gespräche - gerade wir beide - zur Verfügung stehen... Nach jedem Gespräch bleibt was hängen. Und ich sag Ihnen, das, was der Jochimsen in der Rheinischen Post gesagt hat, hätte er nicht gesagt, wenn ich nicht gestern morgen mit ihm zusammen gesessen hätte. Meyerwisch: Ja, ja, genau. Cromme: Insofern, das hilft, das wird uns weiterbringen. Wir müssen das praktisch institutionalisieren geradezu. .....Den Krings (SPD–Oberbürgermeister von Duisburg, d.R.) müssen wir auch noch bearbeiten, der ist auch noch nicht ganz über den Berg. Aber eins nach dem anderen... Meyerwisch:... Heute war da eine relativ große Diskrepanz im Hinblick auf die Zeitschiene. Während ich also bei 90 (gemeint ist die Schließung 1990, d.R) schon zuckte, haben die gesagt, ich sollte da mal nicht so ängstlich sein, es gebe auch Meinungen, daß da 91 oder 92 möglich wäre. Cromme: Mit Sicherheit nicht von mir. Meyerwisch: So wurde das aber ausgedrückt. Cromme: Absoluter Unsinn. Kommt überhaupt nicht in Frage. Das müssen wir kurzfristig ausräumen. Für mich wäre Ende 90 das absolute letzte Ende der Fahnenstange. Meyerwisch: Dann wollen wir mal sehen, wie es weitergeht... Cromme: Mein Gesprächspartner von heute nachmittag sagte mir, wir müßten jetzt regelmäßig AR–Sitzungen (Aufsichtsratssitzungen, d.R.) machen, daß der ganze Informationsprozeß und der Gedankenprozeß, daß da jetzt ne Dynamik reinkäme, der sich hinterher keiner mehr entziehen kann. Meyerwisch: Gucken wir mal. Cromme: Das Wochenende sieht etwas besser aus, als es zwischendurch mal aussah. Meyerwisch: Ich hatte in der Tat heute nachmittag Kummer, ob das wohl ging. Es ging da nochmal um das Thema, ob da nun die eine Schicht bezahlt würde oder nicht. Ich hab gesagt, wir wollten erst mal sehen, wie die Produktion läuft... Cromme:... die Leute müssen spüren, daß es jetzt was kostet... Die müssen wissen, daß sie diese zweihundert Mark nicht in der Tasche haben, wenn sie eine Schicht ausfallen lassen...Wie beurteilen Sie das mit den Informationen aus Rheinhausen, Tore zu... Meyerwisch: Das mit den Toren zu (die Sperrung der Tore durch Streikposten, d.R.), kann man wohl so werten, daß das gemacht worden ist, um möglichst viele mit nach Bochum zu kriegen (zu dem vom Betriebsrat organisierten „Besuch“ der Kollegen im dortigen Krupp–Werk, d.R.), sonst wäre die Zahl sicher kleiner gewesen.... Cromme: Das wird ja auch intern, ich will mal sagen, den Gedankenfluß beschleunigen. Meyerwisch: Da ist vielleicht noch folgendes zu zu sagen. P. (Name im Protokoll unvollständig, d.R.) neigt jetzt doch dazu, eventuell der Belegschaft einen Brief zu schreiben (gemeint ist ein Brief mit dem Tenor, keiner wird entlassen, für alle ist gesorgt. Ein Brief gleichen Inhalts wurde noch am selben Tag an Politiker und Journalisten gestreut, die auch brav über die „sozialverträgliche Lösung“ berichteten, d.R.). .. Er sagt, daß eine solche Geschichte doch ein bißchen die Sorgen rausnehmen könnte. Cromme: Völlig richtig. Meyerwisch: Ich werde das mal andeuten (gegenüber den Betriebsräten, d. R.). Die werden zwar nicht begeistert sein, wenn wir da die Kampfkraft brechen, aber wenn sie daran interessiert sind, daß sie überhaupt irgendwann mal die Kurve kriegen, dann muß natürlich ein bißchen die Angst rausgenommen werden, denn sonst kriegen die die Kurve auch nicht... Cromme: ... ich habe mit F. (Name im Protokoll unvollständig, d.R.)verabredet, daß gerade die Zwischenmodelle, diese Auslaufmodelle, daß die jetzt echt der Prüfung unterzogen werden, daß wir die Gründe angeben können, weshalb es nicht geht...Was mich beunruhigt ist, daß ich so verstanden werde, 91, 92. 3 Jahre wäre für mich die absolute Obergrenze. Da würde ich bei unserem AR–Vorsitzenden (Dr. Scheider, zugleich Chef der Krupp–Obergesellschaft und nach Berthold Beitz zweiter Mann im Krupp–Imperium, d.R.) allergrößte Schwierigkeiten haben, denn der sagt, das muß schnell über die Bühne. Auslassungen sind durch ... gekennzeichnet.
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