: Teherans Distanz zu den Entführern
■ Sechs Tage ist die kuwaitische Boeing 747 in der Hand der Kidnapper / Keine Interessenidentität mit Iran trotz ideologischer Nähe / Eine Geisel auf Zypern ermordert / Waffendeal zwischen Chirac und Khomeini?
Sechs Tage nach Beginn des Geiseldramas um die kuwaitische Boeing 747 war auch am Sonntag nachmittag noch kein Ende der Entführung abzusehen. Die Kidnapper der Boeing 747 der Kuwait Airways hatten am Samstag einen Passagier getötet, nachdem die zypriotischen Behörden das Auftanken des Flugzeugs verweigert hatten. Bereits unmittelbar nach der Landung des Jets nach einem siebenstündigen Irrflug wurden die Flughafenbehörden in Larnaka aufgefordert, die Maschine mit 45.000 Litern Kerosin aufzutanken. Die Bedingung der zypriotischen Behörden, zuerst alle Geiseln freizulassen, lehnten die Geiselnehmer dagegen ab. In der Nacht zum Sonntag ließen die sieben bis acht bisher nicht identifizierten arabischen Männer dann als „Geste des guten Willens“ doch einen 35–jährigen kuwaitischen Passagier frei. Seitdem verhandeln Geiselnehmer und zypriotische Regierungsvertreter unter Vermittlung eines Mitglieds des PLO–Büros in Zypern über die Bedingungen der Freilassung der Passagiere und des Weiterflugs des Jumbos. Nach Berichten der britischen Sonntagszeitung „Sunday Telegraph“ soll am Wochenende eine 35 Mann starke Kommandotruppe der britischen Special Air Services (SAS) in Zypern eingetroffen sein. Sie stehe dort auf einem Militärstützpunkt der britischen Luft waffe bereit, um bei einer möglichen Erstürmung der entführten Maschine den zypriotischen Sicherheitskräften zu Hilfe zu kommen. Schon am Samstag war eine neunköpfige Delegation der kuwaitischen Regierung unter Leitung eines Ministers in Larnaka eingetroffen. Ohne unmittelbar in die Verhandlungen einzugreifen, bestätigte ein Sprecher der Kuwaitis die Entschlossenheit seiner Regierung, die siebzehn Gefangenen, deren Freilassung erpreßt werden soll, nicht freizugeben. Diese siebzehn Gefangenen sind Angehörige der schiitischen Minderheit in Kuwait und wegen Beteiligung an mehreren Attentaten auf die amerikanische und französische Botschaft in Kuwait im Dezember 1983 zu hohen Haftstrafen verurteilt. Drei der Inhaftierten, die schon mehrfach von der auch im Libanon aktiven Untergrundgruppe „Islamischer Heiliger Krieg“ freigepreßt werden sollten, sind zum Tode verurteilt, bislang aber noch nicht hingerichtet worden. Im Dezember 1984 hatten schon einmal Entführer eines kuwaitischen Airbusses versucht, die Männer zu befreien, indem sie die Maschine nach Teheran entführten und zwei amerikanische Passagiere erschossen, bevor das Flugzeug von iranischen Sicherheitskräften gestürmt wurde. Einige Monate später, im Mai 1985, scheiterte ein Sprengstoffanschlag auf den herrschenden kuwaitischen Emir, Scheich Ahmed as–Sabach, durch einen Selbstmordfahrer nur knapp. Trotz der ideologischen Verwandtschaft der Entführer zum iranischen Regime scheinen Interpretationen falsch zu sein, nach denen die Regierung in Teheran der Drahtzieher hinter den Anschlägen und Entführungen sein soll. Zwar hat sich Kuwait im Konflikt zwischen Iran und Irak eindeutig auf Seiten des Irak geschlagen und diese Haltung auch schon mit mehrfachen Angriffen iranischer Raketen auf kuwaitische Ölanlagen bezahlen müssen, doch scheint die Führung in Teheran im jetzigen Entführungsfall andere Interessen zu haben. Nach einer Meldung des Nachrichtenmagazins „U.S. News and World Report“ vom Wochenende führt die Regierung in Teheran derzeit Verhandlungen mit dem französischen Premierminister Jacques Chirac über einen möglichen Tausch von französischen Waffen gegen die im Libanon festgehaltenen französischen Geiseln. Dem Bericht nach fordert Teheran militärische Ersatzteile und die Lieferung von Chemikalien zur Herstellung von Kampfgas sowie die Ausweisung von iranischen Oppositionellen aus Frankreich. Bisher ist Frankreich einer der wichtigsten Rüstungslieferanten des Irak. Die französischen Geiseln in den Händen des libanesischen „Islamischen Heiligen Krieges“ waren in den letzten Jahren wiederholt als Tauschobjekte für die siebzehn in Kuwait einsitzenden Gefangenen angeboten worden, ohne daß sich die kuwaitische Regierung allerdings auf einen solchen Ringtausch eingelassen hätte. Sollten die Nachrichten über französisch–iranische Verhandlungen zutreffen, wäre dies eine Erklärung für die Zurückhaltung Irans bei der gegenwärtigen Entführung des kuwaitischen Jumbos. Erst nach Schießereien und Handgranaten hatten die Behörden in Mashed am Freitag das Auftanken der Maschine zugelassen und den Start zu dem Irrflug über Syrien und den Libanon ermöglicht, der dann in Zypern sein Ende fand.
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