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Dobrynin fordert attraktiven Sozialismus

■ Sowjetischer Chefideologe bemängelt fehlende Anziehungskraft östlicher Systeme / Auch die kommunistischen Parteien im Westen müßten sich umstellen / Auf einer Pressekonferenz bekräftigt der ehemalige Stalin–Dolmetscher Valentin Bereshkow Dobrynins Analyse

Berlin (taz) - Der Sozialismus sei für die Massen der westlichen Welt nicht attraktiv genug, meinte der sowjetische ZK–Sekretär Anatolij Dobrynin am Dienstag auf einer Konferenz von 86 kommunistischen Parteien in Prag. Weder in bezug auf die Demokratisierung der Gesellschaft noch auf die Lösung ökonomischer Probleme habe der Sozialismus eine überzeugende Antwort gegeben. „Die Anziehungskraft des Sozialismus“ habe wegen der „negativen“ Erscheinungen in einer ganzen Reihe sozialistischer Länder, angefangen bei der Sowjetunion, nachgelassen, erläuterte Dobrynin, und beklagte zugleich den Zustand der kommunistischen Parteien im Westen. Es sei besorgniserregend, daß in einigen Ländern die Wählerunterstützung zurückgehe, daß die Mitgliederzahl schrumpfe, daß es zu Spaltungen der Parteien komme und die gegenseitigen Beziehungen schwächer würden, erklärte der sowjetsiche Chefideologe auf der Tagung zum 30jährigen Bestehen der Zeitschrift Probleme des Sozialismus und des Friedens. Dobrynin nannte zwei weitere Gründe für die Schwäche der kom munistischen Parteien. Zunächst erweise sich der Kapitalismus viel „beständiger, als ursprünglich angenommen“. Unter den Bedingungen der wissenschaftlich– technischen Revolution und der dadurch bewirkten tiefgreifenden sozialen Umschichtungen habe sich auch die Zusammensetzung der Mitgliederbasis verändert, auf die die kommunistische Bewegung traditionell gebaut habe. Der dritte Grund aber sei hausgemacht und liege in der „Sphäre des Verhältnisses der Bruderparteien“ zueinander. Die kommunistischen Parteien hätten in punkto internationaler Zusammenarbeit Nachholbedarf und hinkten der Arbeit anderer politischer Bewegungen und Parteien hinterher. Dobrynin, dessen Rede als richtungsweisend für die kommunistischen Parteien - zumal vor diesem Forum - gelten muß, machte ganz im Sinne der eurokommunistischen Theoretiker der siebziger Jahre eine klare Absage an gewaltsame Versuche der Machtergreifung. Jeder gesellschaftliche Fortschritt sei nur unter den Bedingungen des Friedens, bei voller Respektierung der Rechte eines jeden Volkes und ohne Eingriffe von außen möglich. Auf einer Pressekonferenz in Berlin stieß gestern der Herausgeber der sowjetischen Zeitschrift USA und Westexperte Valentin Bereshkow in das gleiche Horn. „Das Bild des Sozialismus ist nicht so attraktiv, wie es sein sollte,“ erklärte der ehemalige Dolmetscher Josef Stalins und forderte die kommunistischen Parteien des Westens auf, sich von „marxistischen Klischees“ zu lösen und die marxistische Theorie weiterzuentwickeln. Man müsse die Entwicklungsbedingungen eines jeden Landes berücksichtigen, erklärte Bereshkow am Beispiel Afghanistans. Die Kommunisten Afghanistans hätten die Menschen in den Fortschritt zwingen wollen und das sei der falsche Weg. Erich Rathfelder

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