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Neue Dokumente im Thälmann–Prozeß

■ Ost–Berliner Rechtsanwalt legte Kopien aus dem Telex–Eingangsbuch des KZ Buchenwald vor, die belegen, daß SS–Stabsführer Otto zur Tatzeit anwesend war / Dokumente stammen aus dem Bundesarchiv in Koblenz

Düsseldorf (rtr) - Im Prozeß gegen den ehemaligen SS–Stabsscharführer Wolfgang Otto, der sich vor dem Düsseldorfer Landgericht wegen Beihilfe zur Ermordung des früheren KPD–Vorsitzenden Ernst Thälmann verantworten muß, hat die Nebenklage am Donnerstag neue Dokumente vorgelegt. Sie sollen die Anwesenheit Ottos zur Tatzeit im Konzentrationslager Buchenwald belegen. Der Ost–Berliner Rechtsanwalt Winfried Matthäus übergab dem Gericht im Auftrage des Generalstaatsanwalts der DDR beglaubigte Kopien aus dem Telex–Empfangsbuch des KZ. Aus ihnen gehe hervor, so die Nebenklage, daß Otto in der Nacht vom 17. zum 18. August 1944 entgegen eigenen Angaben im KZ anwesend war und als „geheim“ eingestufte Fernschreiben persönlich quittiert habe. Otto hatte dagegen erklärt, er sei zu dieser Zeit abends und nachts nicht in seiner Unterkunft gewesen. Vielmehr habe er Besuch von seiner Frau gehabt, die er eine Woche lang täglich nach Dienstschluß in ihrem Weimarer Hotel aufgesucht habe. Die Dokumente stammen nach Angaben der Nebenklage aus dem Bundesarchiv Koblenz. 1986 seien Ablichtungen im Rahmen des mit der DDR abgeschlossenen Kulturabkommens nach Ost–Berlin gelangt. „Die bundesdeutsche Staatsanwaltschaft hätte 20 Jahre Zeit gehabt, diese Belege zu überprüfen“, sagte der zweite Nebenkläger, Heinrich Hannover. Das Landgericht verhandelt seit dem 10. März in einem Revisionsver fahren gegen Otto. Der heute 76 Jahre alte pensionierte Lehrer war am 15. Mai 1986 vom Krefelder Landgericht wegen Beihilfe zum Mord an Thälmann zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof hatte im März 1987 das Urteil mit der Begründung aufgehoben, der Tatbeitrag Ottos sei nicht schlüssig nachgewiesen worden. Der Transportarbeiter, Reichstagsabgeordnete und Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Ernst Thälmann, war nach jahrelanger Einzelhaft auf Befehl Adolf Hitlers unter strenger Geheimhaltung im Krematorium des KZ Buchenwald erschossen und eingeäschert worden.

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