: Vereinigtes Deutschland geht der CDU über alles
■ Am Sonntag berät der CDU–Bundesvorstand die Leitanträge für den nächsten Parteitag / Geißlers Entwurf zur Außen–, Sicherheits– und Deutschlandpolitik revidiert
Aus Bonn Oliver Tolmein
Am Sonntag mittag tritt der Bundesvorstand der CDU zusammen, um den endgültigen Fahrplan für den Bundesparteitag der Union im Juni in Wiesbaden abzustimmen. Große Kontroversen werden auf der voraussichtlich bis Montag nachmittag dauernden Klausursitzung nicht erwartet, nachdem der Streit um die deutschlandpolitischen Ansätze bereits im Vorfeld durch das Einsetzen eines Bundesfachausschusses Deutschlandpolitik und durch den Beschluß des CDU–Präsidiums am Montag entschärft worden ist. Das Präsidium hatte, vor allem auf Intervention der Traditionalisten, entschieden, daß der Bundesvorstand seine Beratungen über den Leitantrag zum Thema „Außen–, Sicherheits– und Deutschlandpolitik“ nicht auf der Grundlage des ursprünglichen, von Generalsekretär Geißler im Februar vorgestellten, Entwurfes führen wird. Kritisiert worden war am deutschlandpolitischen Teil von Geißlers Entwurf vor allem, daß das Wort „Wiedervereinigung“ nicht auftauchte. Geißler, so eine vielfach geäußerte Kritik, habe die normative mit der operativen Deutschlandpolitik verwechselt: Was aktuell nicht durchsetzbar sei, müsse aber programmatisch festgeschrieben bleiben. Geißler hatte daraufhin gesagt, wenn er gewußt hätte, welchen Wirbel das fehlende Wort „Wiedervereinigung“ verursache, hätte er es selbst hineingeschrieben. Der erste Satz des überarbeiteten Entwurfs stellt jetzt fest: „Die Wiedervereinigung war und ist das vordringlichste Ziel unserer Politik“. In der von Geißlers außenpolitischer Kommission erarbeiteten Fassung war die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa als wichtigstes Ziel der CDU–Politik benannt worden. Der Satz, der eine Zustimmung aller Nachbarländer zur Voraussetzung für eine Wiedervereinigung macht, ist gestrichen worden. Statt dessen erkennt die CDU jetzt nur an, daß „wir für den Wunsch unseres Volkes nach Selbstbestimmung das Verständnis und die Unterstützung unserer Nachbarn“ brauchen. Wurde in Geißlers Fassung ursprünglich noch realpolitisch eingestanden, daß eine Wiedervereinigung „jetzt“ nicht zu erreichen sei, schreibt die überarbeitete Fassung fest: „Die Deutschen (sind) nicht bereit, sich mit dieser Trennung abzufinden.“ Neu ist die Aufnahme folgender Absichtserklärung: „Die CDU wird auch in Zukunft immer wieder konkrete Vorschläge aktiver Deutschlandpolitik erarbeiten, damit jede vernünftige Chance zur Überwindung der Teilung Deutschlands genutzt wird.“ Unverändert übernommen worden ist dagegen die Absage an einen „deutschen Sonderweg“. Konkretisiert wurde die Aussage des alten Papiers, nach der die Grenzen in Europa ihren „trennenden Charakter“ verlieren sollen. Jetzt heißt es, die CDU „wolle den Ost– West–Konflikt in einer „dauerhaften Friedensordnung“ überwinden, „in der die willkürlichen Grenzen in Deutschland aufgehoben (und nicht nur durchlässig gemacht) werden.“ Deutlicher als Geißlers Vorentwurf bringt die neue Beschlußvorlage auch die Forderung nach einem gemeinsamen europäischen Atomwaffenpotential zum Ausdruck - gleichzeitig wird aber versichert, die BRD wolle dadurch natürlich nicht ihren verbindlichen Verzicht auf eigene Atomwaffen umgehen. Während in der Deutschland– und Europapolitik zumindest seitens der CDU–Spitze der Kurs ziemlich klar zu sein scheint und sich auch bei der Vordiskussion des zweiten Leitantragsentwurfes über das „Christliche Menschenbild in der Politik“ keine gravierenden Streitpunkte entwickelt haben, gibt es in einem Bereich noch erhebliche Differenzen: während nämlich Bundesarbeitsminister Blüm, die CDU–Sozialausschüsse und die CDU–Frauenvereinigung auch das Thema „Ausländerpolitik“ auf dem Parteitag verhandelt wissen wollen, sperren sich die Unionstraditionalisten gegen die Aufnahme dieses Themas, da es dabei wohl unweigerlich zum großen Krach kommen wird. Die Hoffnung vor allem der Sozialausschüsse ist, daß eine Diskussion über Ausländerpolitik zumindest zu einer klaren Absage der Partei an die rigiden ausländerpolitischen Vorstellungen von Innenminister Zimmermann führt.
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