piwik no script img

Den Oktober verwirklichen

■ Zum erstenmal: die vollständige Erklärung der unabhängigen sozialistischen Klubs in der Sowjetunion - unterzeichnet auf dem Moskauer Treffen vom August 1987

1. Die im Zusammenhang mit der Perestroika sich entwickelnden gesellschaftlichen Prozesse haben viele autonome sozial–politische Gruppen entstehen lassen. Nach der Verfassung der UdSSR liegt die gesamte Macht im Lande beim Volk. Deshalb haben die autonomen sozial–politischen Organisationen, insofern sie Teil des Volkes sind, das Recht, sich unabhängig zu äußern und ihre Interessen ohne Vermittlung zu verteidigen. 2. Die unterzeichnete Erklärung stellt sich in eine sozialistische Entwicklungsperspektive unseres Landes. Als überzeugte Unterstützer des Sozialismus teilen wir das im Oktober proklamierte Ziel, in der Sowjetunion eine klassenlose Gesellschaft aufzubauen und den Staat verschwinden zu lassen. In der Bildung sozialer Gruppen und Organisationen und in ihrer wachsenden Bedeutung in der Gesellschaft sehen wir einen der Wege zur Entwicklung der gesellschaftlichen Selbstbestimmung und zur Beseitigung bürokratischer Verwaltungsstrukturen. 3. Gegenwärtig durchlebt unser Land eine Periode von Veränderungen. Der Erfolg der zu verwirklichenden Reformen hängt davon ab, wie gewichtig die Unterstützung der Perestroika und die Beteiligung der Massen sein wird. Die Frage des Sieges der Perestroika ist eine Frage von Leben und Tod für den sowjetischen Sozialismus. Wir erkennen die verfassungsmäßige Rolle der Kommunistischen Partei der Sowjetunion in unserer Gesellschaft an, aber die Partei ist nicht einheitlich. In ihren Reihen befinden sich auch diejenigen, die für den Mißbrauch und die Irrtümer der Vergangenheit direkt verantwortlich sind, diejenigen, die die Reihen der Bürokratie ausgefüllt haben, die Masse der Funktionäre, die sich von den Bedürfnissen und Sehnsüchten der Menschen entfernt haben. Wir bemühen uns, die Führer und Aktivisten der Partei zu unterstützen, die die gesunden und fortschrittlichen Kräfte repräsentieren. 4. Im Zentrum wie am Rand stößt die Perestroika von seiten der Kräfte, die um ihre Privilegien fürchten und ihr Informations– und Entscheidungsmonopol aufrechterhalten, auf harte Opposition. Die neuen Volksinitiativen stoßen auf ihren Widerstand oder werden von ihnen nicht zur Kenntnis genommen. Der Verband der autonomen Gruppen und Organisationen unterstützt die aus dem XXVII. Kongreß der KPdSU zur Entwicklung des Sozialismus und der Demokratie hervorgegangene Plattform, die unverzichtbar ist, auch, weil aus den informellen Bewegungen reaktionäre (rassistische, chauvinistische, faschistische und stalinistische) politische Gruppen, die extremistische Methoden vertreten, hervorgegangen sind und sich entwickelt haben. Durch unseren Zusammenschluß können wir uns dem in der unabhängigen Bewegung existierenden Extremismus widersetzen und unsere Informationen über die Aktivitäten dieser Gruppe erweitern. 5. Auf der Grundlage dieser Erwägungen haben die Unterzeichnenden dieser Erklärung in völliger Übereinstimmung mit der sowjetischen Verfassung, die die Freiheit der Sowjets proklamiert, beschlossen, sich in einer Föderation sozialistischer sozialer Clubs zusammenzuschließen, deren Hauptziel die Unterstützung der Perestroika ist. Die Föderation nimmt sich vor, folgende Ziele zu erreichen: im ideologischen Bereich, die Ausarbeitung eines demokratischen Entwurfs der neuen Gesellschaft, die Auflösung des dialektischen Wider spruchs zwischen bürokratischer Macht und gesellschaftlicher Selbstbestimmung, die Analyse der Rolle und der Position der gesellschaftlichen Organisationen im politischen Leben und in einem selbstbestimmten System. Im politischen Bereich, die Anerkennung der autonomen Bewegungen und Organisationen; die Gewährung des Rechts zu legislativen Initiativen an sie, auch, um eine konsequente Durchführung der vom Plenum des Zentralkomitees der KPdSU gefaßten Beschlüsse über die Demokratisierung des Wahlsystems zu erreichen; das Recht, in den Deputiertensowjets auf jeglicher Ebene eigene Vertreter zu haben, ohne Einschränkung und ohne Billigung der designierten Kandidaten; die Arbeitszeitverlängerung der Deputiertensowjets, der Notwendigkeit legislativer Arbeit entsprechend; eine klare Unterscheidung der Normen für die Kritik an Unzulänglichkeiten der existierenden Ordnung und für antistaatliche Aktivitäten; die Verwirklichung der Ziele des ersten Programms der RSDRP (Sozialdemokratische Partei Rußlands, d.Red.) zur Autonomie der Bürger, unabhängig von anhängigen richterlichen Verfahren und von Hilfen administrativer Art (gegen wen ermittelt wird, darf nicht entlassen werden, etc., d.Red.). Im ökonomischen Bereich, die Verwirklichung einer neuen Orientierung der staatlichen Planungs– und Leitungsbehörden hauptsächlich im Verhältnis zu administrativen Führungsmethoden der Volksökonomie; Ausweitung des Bereichs kommerzieller und finanzieller Aktivitäten in bezug auf den grundlegenden Mechanismus, der die ökonomischen Aktivitäten des Landes regelt, unter Garantie der sozialen Errungenschaften der Werktätigen (Volksbeschäftigung, soziale Minimalleistungen, Pensionen etc.); Reduktion der Ausgaben, die dem Staatsapparat entspringen; die Wirtschaft soll nach Prinzipien der Selbstbestimmung geführt werden; ein effektiver Kontrollmechanismus von unten über die Leitungsorgane soll sichergestellt werden; die sozialen Mittel der Produktion (Fabriken und Betriebe) sollen bei den Kollektiven für selbstbestimmte Initiativen untergebracht werden; das Planungssystem soll demokratisiert werden; die Bedingungen für eine freie Entwicklung aller Formen sozialistischen Eigentums sollen geschaffen werden. Im kulturellen Bereich, die Freiheit zur Initiative für die Selbstfindung künstlerischer Gruppen und Kollektive; ein Klima der Toleranz gegenüber Standpunkten und Vorlieben, die unterschiedliche Richtungen äußern, insofern sich diese nicht im Gegensatz zur Verfassung befinden; freier Zugang der Öffentlichkeit zu statistischen Materialien und zu Archiven, dem Besitz der Bibliotheken und Museen, die Abschaffung „spezieller Fonds“; Aufhebung einer jeglichen Form der Präventivzensur, Ausweitung des Netzes privater verlegerischer Kooperativen und Abschaffung administrativer Hindernisse, wenn autonome Organisationen in den Genuß ihrer verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten kommen wollen (Rede–, Presse–, Demonstrationsfreiheit). Im Bereich der Ökologie und der Ökologie der Kultur, die Schaffung effektiver Mechanismen der Partizipation von Organisationen und der Bewegung am Kampf zur Rettung der Umweltressourcen und des historisch–kulturellen Erbes. Im Bereich internationaler Beziehungen, die Unterstützung von und Solidarität mit Kämpfen und Initiativen für die Revolution, Freiheit und Demokratie in den kapitalistischen und in den Entwicklungsländern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen