: Kopfeinziehen
■ Zum Anschlag auf die Jüdische Gemeinde in Frankfurt
Der Anschlag auf die Jüdische Gemeinde in Frankfurt ist nicht der erste auf jüdische Einrichtungen in der Nachkriegsrepublik. Gab es bis 1968 Grabschändungen auf jüdischen Friedhöfen, so waren es danach Bomben: in München auf ein jüdisches Altersheim, in Berlin der versuchte Anschlag auf das Gemeindehaus (mit Bekennerbrief eines der Linken zuzurechnenden Kommandos) und jetzt auf das Frankfurter Zentrum mit angeschlossener Schule und Kindergarten. Die Öffentlichkeit hat sich längst an die polizeilichen Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen gewöhnt. Der Horror ist: Kein jüdischer Kindergarten, keine Jüdische Gemeinde in der Bundesrepublik kommt ohne enorme Sicherheitsvorkehrungen aus, jüdische Kinder - nicht nur hier, sondern überall in Europa - müssen unwillkürlich lernen, unter Polizeischutz zu leben. Wir wissen nicht, wer in Frankfurt die Bombe legte. Wir wissen, daß zwei Tage vorher der militärische Chef der PLO in Tunis ermordet wurde. Das schlimme ist, daß man nur hofft, daß kein Deutscher an dem Anschlag in Frankfurt beteiligt war, eine Art moralisches Kopfeinziehen, ganz so, als wäre damit die Angelegenheit für uns politisch gelaufen und lediglich eine Sache der Ermittlungsbehörden. Hier in der Bundesrepublik werden wir täglich konfrontiert mit dem unlösbaren Konflikt, der aus der deutschen Geschichte herrührt: Es bedarf immer besonderer Anstrengung, um den deutschen Juden das zu sichern, was das Selbstverständlichste ist: nach ihren Vorstellungen zu leben. Max Thomas Mehr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen