■ Gerhard Polts Filmkomödie ruiniert Terracina
: Stornierungen und drohende Arbeitslosigkeit sind die Folge des Films "Man spricht deutsh" / Terracina fühlt sich hereingelegt / In der Vorsaison ist jeder Strand dreckig

Natürlich ist er kein Rassist, der Gerhard Polt. Warum aber prangt an der Mauer des Lido dEnea in Terracina ein dickes „Polt razzista“? Und warum sieht sich der taz–Korrespondent gezwungen, dem einen Artikel zu widmen? Zweite Frage zuerst: Ich wohne 200 Meter neben dem „Schauplatz“ von Polts letztem Film „Man spricht deutsh - Ich in Terracina“. Und seit der herausgekommen ist, blockiert die halbe Region, aufgeschreckt von Anrufen aus dem Norden, mein Telefon. Was ist geschehen? Der Grund ist recht einfach - für den, der ein wenig Italien kapiert; und wahrscheinlich recht kompliziert, wenn einer wie Polt beim Drehbuch nur an seine teutonischen Landsleute denkt. Im Film zeigt Polt den Strand von Terracina - verschmutzt, verkommen, versehen mit Tierleichen und allerhand Unappetitlichem; er zeigt, wie deutsch Villenbesitzer sich mit allerlei elektronischen Diebstahlsicherungen umgeben. Alles in der löblichen Absicht einer Parodie auf die germanische Eigenart, in die Ferne zu reisen oder sich gar dort niederzulassen - um sich dann über die dort lebenden Menschen und die vorhandenen Umstände zu beschweren. Da hat er recht, und wer könnte das besser bestätigen als gerade ein mit solchen Zeitgenossen und deren Lamentiererei ständig konfrontierter Auslandskorrespondent. Nur: Es ist das eine, die Teutonen so auf die Schippe zu nehmen, und es ist etwas ganz anderes, dies mit Hilfe einer Art Bestätigung der Vorurteile zu tun. Italiener verstehen deshalb Polts Botschaft vorwiegend so: Itaker sind halt Schweine und Räuber; aber man muß ja nicht zu ihnen fahren. Daß das nicht nur bei Italienern so ankommt, zeigt ein Brief, der gerade im Stadtrat von Terracina hohe Wellen schlägt: Gong–Reiseredakteur Harald Folgmann teilt darin mit, daß „es nicht glücklich wäre“, die Gegend zu empfehlen, „selbst wenn es anders wäre als im Film“, denn „man muß sich Teer nach dem Schwimmen abwaschen, der Strand wird unsauber dargestellt“, alles in allem: „negative Beispiele“ zuhauf. Hoteliers und Vermieter berichten inzwischen von zahlreichen Stornierungen, der Händlerverband befürchtet - zu Recht - die Pleite mehrerer hundert Geschäfte und die Arbeitslosig keit Tausender, Schäden auf Jahre hinaus. Alles in einer Zone, die sowieso schon schwer geschädigt ist - und übrigens nicht zuletzt durch die Baumanie gerade der Teutonen, denn sie waren Anfang der sechziger Jahren just in Terracina die ersten, die ihre Häuser nicht wie die vordem vorhandenen Bauern im Sicherheitsabstand von 100 Metern hinter die Düne, sondern auf diese gesetzt und so die Erosion des Strandwalls und damit die Zerstörung der ge samten Zone eingeleitet haben. „Nach dem importierten ökologischen Desaster wollen sie uns noch den Schmutz von ganz Italien ans Hemd kleben“, jammert der Vorstandssprecher der bedrohten Kleinhändler, und man kann ihn verstehen. Nichts hilft es, wenn man darauf hinweist, daß Polt seinen Film im vorigen Frühjahr, vor der Saison, gedreht hat - in einer Zeit, wo im ganzen Mittelmeerraum, in Spanien, Frankreich, Jugoslawien, Griechenland ganz wie in Italien die Strände verdreckt sind. Und wie dort werden sie auch in Terracina erst zu Beginn des Fremdeneinfalls gesäubert - sodaß Polt wie seit Jahren weiterhin vergnügt seinen Urlaub am sauberen Strand von Terracina verbringen kann. Und so nützt es auch wenig, wenn man erzählt, daß die Filmcrew - in meinem Beisein - die angebotene Strandsäuberung heftig abgelehnt hat (mit dem Versprechen, daß Terracina nicht genannt würde), und daß die im Film gezeigten Tierkadaver vom Team selbst präpariert und deponiert wurden. Nichts zu machen - der Schmutz klebt an Terracina; und der taz–Korrespondent, ansonsten selbst ständiger Kritiker von Umweltverschmutzung und administrativer Nachlässigkeit, sieht sich gezwungen, die Dinge wenigstens einigermaßen zurechtzurücken. Zumal Nachfragen ergeben haben, daß viele der Stornierer nun an die Adria oder in die Campania ausweichen - wo nach Erkenntnissen des Umweltschützerbootes „Coletta verde“ die Verschmutzung um ein vielfaches höher und gefährlicher ist als in Terracina. Doch das Problem des „Polt razzista“ liegt noch wesentlich tiefer. Unbewußt wohl, weil mit italienischem Fühlen gänzlich unvertraut, hat unser Top– Satiriker eine klaffende Wunde der südländischen Seele betapst: die tiefinnere Überzeugung der Italiener, daß es ja im Grunde irgendwie stimmt - „wir werden mit unserem Dreck nicht fertig“ (schon Goethe moserte darüber vor 200 Jahren), „und die Gangster und Gauner werden auch von Tag zu Tag mehr“. Der feine Unterschied: Wenn die Italiener sich an die eigene Brust klopfen, gibt das weder dem deutschen Süd–Villenbesitzer noch Polt das Recht, den Finger zu erheben. „Schau mal“, belehrt mich milde, aber nachdrücklich ein Lehrer, nachdem meine Kinder derzeit ständig auf die Polt–Affaire angesprochen werden, „wir beneiden euch Deutsche um die Kraft, mit der ihr euch noch immer mit der Nazi–Vergangenheit auseinandersetzt. Aber keiner von uns käme auf die Idee, jemanden von euch anzuklagen, und schon gar nicht, euch kollektiv als Nazis zu denunzieren. Den Schmutz bei euch müßt ihr alleien wegkehren. Nun seid aber so gut und laßt uns den unseren auch selbt beseitigen. Schön, wenn es bei euch einen guten Satiriker gibt. Aber warum kann er die Deutschen nur hochnehmen, indem er andere Leute als Säue darstellt?“ Tja, warum?