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Buchhändlerin verurteilt

■ Buchhändlerin wegen Verkauf der Zeitschrift Freiraum nach Bayerischem Pressegesetz verurteilt Ursprünglicher Vorwurf wegen „129a“ konnte nicht aufrechterhalten werden

München (taz) - Zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 Mark wegen „fahrlässiger Veröffentlichung“ nach § 11 des Bayerischen Pressegesetzes verurteilte am vergangenen Dienstag der Vorsitzende Richter des Bayerischen Obersten Landesgerichts die 35jährige Münchner Buchhändlerin Ursula W. Die ehemalige Besitzerin des Münchner Buchladens „Trampelpfad“ war zunächst wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ vor den Kadi gezerrt worden. Im zweiten Prozeßanlauf konnte selbst die Staatsanwaltschaft diesen Vorwurf nicht mehr aufrechterhalten. Richter Biebel blieb mit seiner Strafe wegen „fahrlässiger Veröffentlichung“ knapp unter den vom Staatsanwalt geforderten 4.500 Mark. Anlaß für das aufwendige Gerichtsverfahren: die Münchner Zeitschrift Freiraum. Eine Polizeibeamtin kaufte zwei Exemplare in Ursula Ws. Buchhandlung. Für diese Ausgabe „Bayerischer Frühling“ lag ein Beschlagnahmebeschluß vor, da auf den Seiten 18 und 19 eine Erklärung der „Rote Zellen“ zum Anschlag auf die Soziale Fürsorgestelle für Asylbewerber in Berlin dokumentiert war. Vor Gericht konnte die Polizeibeamtin die Buchhändlerin nicht als Verkäuferin identifizieren. Durch weitere Zeugenaussagen stellte sich heraus, daß zur fraglichen Zeit öfters Aushilfen im Laden tätig waren. Außerdem hatte Ursula W. bereits vor dem Besuch der Beamtin erfahren, daß das Erscheinen der Zeitung eingestellt werde, weil sie „sowieso meistens von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt wird“. Die Buchhändlerin entfernte die Karteikarte aus ihren Unterlagen und hielt den Fall für erledigt. Doch Gericht und Staatsanwaltschaft sahen die Sorgfaltspflicht eines Buchhändlers verletzt. Ihrer Ansicht nach handelte Frau W. „pflichtwidrig“ und „fahrlässig“. Sie habe mit einer weiteren Lieferung der „gefährlichen“ Zeitschrift rechnen und eine „Ver kaufsorganisation treffen müssen, daß solche Zeitschriften mit strafbarem Inhalt nicht in ihrem Namen verkauft werden können“. Strafmildernd wertete das Gericht, daß die Münchnerin ihren Job als Buchhändlerin inzwischen aufgegeben hat und „somit eine Gefahrenlage nicht mehr besteht“. Verteidiger Bendler, der auf Freispruch plädierte, wird Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Der „Freiraum - anarchistische Föderation Südbayern“ ist seit vier Jahren das „Objekt der Begierde“ der Münchner Staatsanwaltschaft. Da die Herausgeber des Blättchens jedoch nicht bekannt sind, mußten die gerichtlichen Verfahren alle wieder eingestellt werden. INTERVIEW

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