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Kirchengelder gegen Bulettenkonzern

■ EKD gibt Geld für „Fast Food Infobüro Volksmund“ / McDonalds–Betreiber drohen mit Kirchenaustritten und Beleidigungsklage / „Volksmund“–Kampagne will Änderung des westlichen Lebensstils fördern

Von Thomas Öchsner

Frankfurt/Hannover (taz) - Das „Fast Food Infobüro Volksmund“ im Dritte–Welt–Haus in Frankfurt führt eigentlich einen hoffnungslosen Kampf: Was kann schon ein kirchlicher Zuschuß von gerade 29.200 Mark bei der „Volksmund“–Kampagne gegen die „Bulettenkonzerne“ mit ihrem gigantischen Jahresumsatz von mehr als 50 Milliarden Mark 1987 ausrichten? Für die bundesdeutschen „McDonalds–Restaurant“– Betreiber ganz offensichtlich zuviel: Sie drohten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wegen der kleinen Förderung unverhohlen mit Kirchenaustritten der Mc–Donalds–Beschäftigten. „Das Recht hierzu leiten wir von der Tatsache ab, daß die Kampagne auf drei erfundenen und manipulierten Behauptungen beruht, und daß wir über 100 McDonalds– Lizenznehmer in der Bundesrepublik, keinesfalls bereit sind, mit unseren Kirchenbeiträgen (circa 1,4 Millionen Mark im Jahr 1986), eine gegen uns, unsere Betriebe, unsere Mitarbeiter und unseren Kunden gerichtete Verleumdungskampagne mitzufinanzieren.“ Dies schrieb im Auftrag aller deutschen McDonalds–Restaurantbetreiber der stellvertretende Vorsitzende des „Lizenznehmer–Beirates in Hessen“, Jörg Hulha, bereits am 5.2. an die EKD in Hannover und leitete diesen Brief auch an zahlreiche Landesbischöfe weiter. Für den Geschäftsführer des „Volksmund“–Büros, Diplomtheologe Weilandt, ist die Absicht des Schreibens völlig klar: „Die McDonalds Lizenznehmer versuchen, uns den Geldhahn abzudrehen, um uns zum Schweigen zu bringen.“ Hulha dagegen sieht in den „Volksmund“–Warnungen vor den negativen Folgen der Eßkultur mit schnellem Biß „den Tatbestand der Beleidigung erfüllt“. Und den Präsidenten für Auslandsbeziehungen und Ökumene in der EKD, Held, läßt er in einem Brief wissen, daß die McDonalds– Restaurant–Betreiber sich nicht scheuen würden, bei einer Fortsetzung dieser Aufklärungsarbeit, „gegen unsere Kirche zu klagen“. Im Kirchenamt der EKD in Hannover bleibt man indes gelassen. Die Evangelische Kirche ziehe aufgrund möglicher Steuerausfälle weder Gelder zurück noch verhalte sie sich so, „wie sich das Herr Hulha gerne vorstellt“, sagt Wolfgang Heinrich, Assistenzreferent im kirchlichen Entwicklungsdienst. Das Grundanliegen des Ausschusses für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik (ABP), der den zunächst einmaligen Zuschuß für ein Jahr genehmigt hat: „Wir wollen das Bewußtsein dafür schärfen, daß durch eine Änderung des Lebensstils in den reichen westlichen Ländern, Probleme in der Dritten Welt abgebaut werden können.“ Dazu soll auch das Frankfurter „Volksmund“–Büro beitragen. Die Kirchenvertreter weisen auf eine „Lawine von Anfragen“ von besorgten Kindergärtnerinnen und Eltern zu Fast Food hin, die „nicht länger bereit sind, dem Siegeszug einer industrialisierten, entsinnlichten Eßkultur, für die mit groß angelegten Kampagnen geschickt geworben wird, taten los zuzusehen“. Da geht es zum Besipiel um den Clown „Ronald McDonald“, für Hulha lediglich „eine familienfreundliche Symbolfigur“, die „keinerlei Produktwerbung“ betreibe. In Wirklich keit ist der Clown ein Markenzeichen der ausgefallenen Marketingstrategie des Bulettenbraterkonzerns. In Schweden ist „Ronald McDonald“ deshalb längst aus den Kindergärten verbannt worden; in der Bundesrepublik hatte er - zunächst - sogar unter der Schirmherrschaft des bayerischen Umweltministeriums - Typisch, traditionell und konservativ bis ins Mark, aber wenn es um „den letzten Scheiß des großen Bruders“ geht, alles mitmachen! d. S–in schon mehr als 300 Auftritte. Dem Diplomtheologen Weilandt geht es vor allem um die Frage, was die Bulettenbraterbranche mit „der immer breiter werdenden Schere zwischen Hungernden und Satten zu tun hat“. Das Büro stützt sich dabei auf die Recherchen des Filmemachers Peter Heller. Sein Vorwurf in dem Streifen „Dschungelburger“: In Costa Rica werden riesige Flächen tropischer Regenwälder abgeholzt, um Weideland für Vieh zu gewinnen, das an Fast–Food–Ketten in den Vereinigten Staaten exportiert wird. Daß McDonalds in der BRD nur deutsches Rindfleisch verwendet, hat nach Ansicht des „Volksmund“–Büros ebenfalls negative Folgen für die Armen in der Dritten Welt: Denn über 30 Prozent des Futters, das die Rinder in der EG fressen, stammt aus den armen Ländern. Der Vorsitzende der hessischen McDonalds–Lizenznehmer, Horst Wilms, ist davon überzeugt, daß die Evangelische Kirche bei ihrer Unterstützung der „Volksmund“–Kampagne einen Rückzieher macht. Eine Gutachterkommission soll jetzt nämlich prüfen, ob das „Volksmund“– Büro „nachweislich falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt hat“, so Assistenzreferent Heinrich. Mit dieser Regelung haben sich beide Parteien einverstanden erklärt, schließlich glauben beide Kontrahenten, als „Sieger“ in dem Gutachten hervorzugehen. Falls die EKD jedoch weiter Zuschüsse zahlt und nicht in einer „öffentlichen Erklärung“ möglicherweise falsche Anschuldigungen zurücknehme, dann könne er, Wilms, die Drohung des Briefeschreibers Hulha, aus der Kirche auszutreten und keine Kirchensteuer mehr zu bezahlen, „nur unterstreichen“. Weilandt und seine Helfer haben unterdessen zu einem „Aktionstag“ am 15.Oktober, dem Welternährungstag, aufgerufen. Der Titel der Veranstaltung: „Bürger gegen Burger - Das Hackfleischimperium stoppen!“

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