Weltbank: Tanz der Vampire
: Nadelstreifen, Dollarschuld

■ Malenter Symposium: Fast unter sich diskutieren Manager, Experten und Politiker über Weltwirtschaft und Verschuldungskrisen

Kein Zweifel, die Fensterreden der Vertreter von Gläubigerstaaten, der Banker und der Angehörigen von Weltbank und Währungsfonds, eben der einschlägigen „community“, zeugen von gewachsener Sensibilität. Die Maßnahmen zur Lösung der Schuldenkrise müßten den Menschen helfen, da müsse sozial abgefedert und der Hunger beseitigt werden. Was aber, wenn die community mal wieder so richtig unter sich ist? Die „Dräger–Stiftung“, ehrenwerter Denk–Appendix der Lübecker Dräger–Werke, bot der 250–köpfigen „community“ Anfang der Woche für drei Tage einen würdigen Klausur–Rahmen im „Intermar–Hotel“ im schönen Malente in Schleswig–Holstein. Das Symposion stand unter dem Motto „Weltwährungssystem und weltwirtschaftliche Entwicklung“. Der deutsche Exekutivdirektor der Weltbank wie auch Angehörige des Währungsfonds (IWF) aus Washington waren angereist, Altkanzler Schmidt war zugegen, die größten bundesdeutschen Banken sowie US–Institute gaben sich die Ehre, bekannte Namen der Wirtschaftswissenschaft durften nicht fehlen. Hochgradiger „Realismus“ beherrschte denn auch die Szenerie, wie sich ein renommierter Journalist mehrfach freute, frei von „ideologisch beeinträchtigten Beiträgen“. Die Lösung der Schuldenkrise konnte nur heißen: Die Schulden werden zurückgezahlt, kein Teil–Forderungsverzicht, nur Einzelverhandlungen mit den Schuldnern. Und das ganze läuft nur mit mehr Wachstum und Export in den Schuldnerländern, koste es, was es wolle. Kongreß paradox: Die vereinzelte linke Opposition in dieser Nadelstreif–Gesellschaft stellten die Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und Helga Henselder–Barzel, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Welthungerhilfe und Frau des Alt–Möchtegernkanzlers Rainer. Dr. Fritz Fischer vom BMZ klagte vorsichtig ein, man möge doch die soziokulturelle Dimension auch in Zeiten der Schuldenkrise nicht völlig beiseite drängen: „Wenn wir als Gläubiger von den Drittweltländern stets mehr Wachstum verlangen, müssen wir sie doch zumindest auch darauf hinweisen, daß hier eine sehr kritische Wachstumsdiskussion läuft“. Der Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dr. Juergen Donges, konnte sich in diesem Kreis des Beifalls sicher sein, als er auf den Angehörigen des Bonner Ministeriums zurückschoß, es sei „immer dasselbe“: Wenn jemand „ökonomisch nicht mehr weiter“ wisse, komme er mit Soziokulturellem daher. Ein Kollege aus demselben Hause setzte noch eins drauf: Die Sanierung der Dritten Welt könne nicht nach dem Motto laufen: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß“, es komme jetzt darauf an, der „Arbeiteraristokratie“ in den Entwicklungsländern ihre Privilegien zu nehmen. Dr. Henselder–Barzel war bereits zuvor in der Arbeitsgruppe, die sich Gedanken zur Krisenlösungsstrategie machte, der Kragen geplatzt. Bei all den vielen Worten über Konditionalität, Abschreibungen und Zins würden die Probleme der betroffenen Menschen völlig außer acht gelassen, kein Wort vom Hunger falle in der Debatte. Es sei schließlich auch unerläßlich, im Rahmen der Verschuldungsdiskussion über den Waffenhandel zu sprechen. Für Dr. Martin Murt feld, Direktor bei der Deutschen Bank, führt all dies „weg vom ökonomischen Weg“. Die Kompetenz für soziale Elemente liege beim IWF und der Weltbank, „auch die Kirchen sind hier gefragt“. Muster–Schuldnerland war Korea, das durch gigantische Exportanstrengungen zahlungsfähig bleibt. Soziale Aspekte hin, kulturelle her - wie kurzfristig beschränkt das Schuldenmanagement auch unter ökonomischen Gesichtspunkten denkt, wird je doch gerade an diesem Beispiel klar. Alle Beteiligten gingen schließlich davon aus, daß die USA gefälligst ihr gigantisches Handelsbilanzdefizit abzubauen habe. Und keinem dürfte entgangen sein, daß für die USA ihre hohen Importüberschüsse vor allem von jenseits des Pazifiks herbekommen. Von Dr. Horst Schulmann, dem Chef des Washingtoner Instituts of International Finance, aus dem viele eine Art internationale Kreditaufsichtsbehörde machen wollen, hatte man gar den Eindruck, für ihn habe ein richtiges Entwicklungsland auch gehörig verschuldet zu sein. Der Schuldenerlaß gegenüber Indonesien, auf den sich die Gläubigerbanken einst einließen, dürfe so nicht wieder vorkommen. Schließlich sei das Ölexportland kurze Zeit später in den Genuß zweier drastischer OPEC– Preiserhöhungen gekommen. Da hätte in den Entschuldungsvertrag eben eine Besserungsklausel hineingehört, nach der das Inselreich aufgrund der unerwarteten Einnahmeschübe das Geld doch noch hätte zurückzahlen müssen. Daß Schuldverzicht und Ölpreissteigerung zusammen dem Land in den vergangenen Jahren ein relativ hohes Wachstum und eine derzeit vergleichsweise komfortable Finanzlage gestatteten, diese Gedankenkette windet sich ganz offenbar jenseits des Horizontes um den Tellerrand dieses Schuldenmanagers. Dabei hätte Schulmann, ehedem Weltwirtschafts–Assistent von Altbundeskanzler Schmidt, so viel lernen können von seinem früheren Chef. Der machte nämlich zum Abschluß der Tagung in einem beachtlichen Vortrag klar, daß die ach so exakten Aussagen der Wirtschaftswissenschaftler das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen. Durch die Rechnungen der Ökonomen hätten noch immer die Politiker mit ihren innen–, außen und globalpolitischen Entscheidungen einen dicken Strich gezogen, sprach der Welt–Politökonom. INTERVIEW