piwik no script img

Uran–Swapping als „übliche Praxis“

■ Der EG–Kommissar rechtfertigt vor dem EP–Untersuchungsausschuß die skandalöse Praxis des Flaggen–Wechsels im Uran–Handel: Rein „buchungstechnischer Vorgang“ der „schon seit Jahren Usus“ sei / Keine politischen Probleme mit Uran–Importen aus Südafrika

Aus Brüssel Thomas Scheuer

„Ich rechtfertige derartige Praktiken.“ Mit diesem klaren Bekenntnis würzte der für Euratom verantwortliche EG–Kommissar Nic Mosar am Dienstag vor dem Untersuchungsausschuß des Europäischen Parlamentes zum Atom– Skandal seine Ausführungen über die jüngst bekannt gewordene Praxis des „Flag–Swapping“, also des Umdeklarierens von Uran. Vor allem die Broker–Abteilung der Hanauer Unterhändler von Nukem scheinen beim Flaggenwechsel feste mitgewedelt zu haben - unter reger Mithilfe von Euratom. Der Spiegel hatte schon vor einigen Wochen über einen Flaggen–Wechsel berichtet, bei dem NUKEM den Ursprungscode von Uran aus Australien ge gen den Code für US–amerikanische Herkunft austauschen ließ. Der Grund für den Tausch: Die lästige Auflage Australiens, daß Uran von dort nicht über 20 Prozent angereichert werden darf. Eine hohe Anreicherung war aber beabsichtigt, deshalb wurde umdeklariert. Nächster spektakulärer Fall: Vor einer Woche übergab der luxemburger Grünen–Abgeordnete Jup Weber der Staatsanwaltschaft Auszüge aus der Nukem–internen Buchhaltung, demzufolge Nukem Uran aus Südafrika in nigrisches verwandelte, um dieses über Finnland zur Anreicherung in die UdSSR liefern zu können. Beide Länder boykottieren südafrikanisches Uran, dessen Herkunft folglich von Nukem vertuscht wurde. Letzten Mittwoch erklärte der australische Industrie– und Energie–Minister Kerin vor dem dortigen Parlament: „Die Regierung hat schon lange den Verdacht, und die Euratom–Dokumente bestätigen diese Sicht, daß die Befürworter des internationalen flag–swapping von dem Wunsch angetrieben werden, die Restriktionen bezüglich Uran südafrikanischen und namibischen Ursprungs zu umgehen. Die Atomiker in der Brüsseler Euratom–Zentrale scheint der internationale Medienwirbel um die swaps zu beunruhigen. In die gestrige Sitzung des Untersuchungsausschusses hatte sich Mosar selbst eingeladen. In seinem Statement verharmloste Mosar das flag–swapping als „buchungstechnischen Vorgang“. Swaps seien „schon seit Jahren Usus,“ allerdings habe „die Häufigkeit in den letzten Jahren zugenommen.“ Ziel sei, im Rahmen des internationalen Marktes den europäischen Brennstoffkreislauf zu optimieren. Swapping sei nicht nur „wirtschaftlich gerechtfertigt“, sondern auch völlig „legal“. Auch die Herkunftsländer, so Mosar, würden nicht verarscht, denn spätestens bei der Konversion verliere das Uran sowieso seinen nachweisbaren Ursprung. Mosars Argumentation basierte weitgehend auf Aspekten der Wirtschaftlichkeit - schließlich liefere die Atomenergie 35 Prozent des Stroms in der Gemeinschaft. Mosar dementierte die bisher bekanntgewordenen Swaps nicht, bedauerte es allerdings außerordentlich, daß Euratom– und Nukem–interne Dokumente an die Öffentlichkeit geraten seien. Auch politische Probleme vermochte Mosar in der EG–Einfuhr südafrikanischen Urans nicht zu erkennen: Sie widerspräche nicht den vorliegenden Außenminister– Beschlüssen. Im Übrigen messe die Mehrheit der EG–Länder den UNO–Dekreten über Namibia eh keine Rechtsgültigkeit bei. Über das seine Gedankenwelt bestimmende Kriterium gab Mosar mit einem bestechenden Beispiel Aufschluß: Wenn jemand Geld auf die Bank bringe, so veranschaulichte er den Abgeordneten das Swapping–Business, so werde zwar der Betrag gutgeschrieben; aber einen Anspruch auf die Rückzahlung in genau den gleichen Scheinen habe man schließlich auch nicht.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen