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Aids–infizierte Bluter entschädigt

■ Schadenersatz zwischen 40.000 und 240.000 Mark für Infektion durch verseuchte Gerinnungspräparate / Schmerzensgeld auch für infizierte Ehefrauen und Kinder von Blutern

Düsseldorf (ap) - Die knapp 1.000 Aids–infizierten Bluter in der Bundesrepublik können jetzt mit Entschädigungen in beträchtlicher Höhe rechnen. Wie der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie in Hannover und die Deutsche Hämophiliegesellschaft in Hamburg am Dienstag bestätigten, haben sich die Verhandlungsführer beider Seiten auf „Richtlinien“ für eine Abwick lung der Zahlungen von Schadenersatz geeinigt. In „weit über hundert Fällen“ hätten die Versicherer bereits Entschädigungen zwischen 40.000 und 250.000 Mark gezahlt, berichtete der stellvertretende Vorsitzende der Hamburger Gesellschaft, Rainer Gruson, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ap. Nach Schätzungen der Hämophiliegesellschaft wurden Anfang der achtziger Jahre rund 50 Prozent der bundesdeutschen Bluter durch verseuchte Gerinnungspräparate mit dem Aids–Virus infiziert. Gruson wertete den Kompromiß, der auch infizierte Ehefrauen und Kinder von Blutern einbezieht, als „weltweit beste Einigung, die existiert“, auch wenn er viele Wünsche offen lasse. Um zu einer Einigung zu gelangen, hatten die Hämophilieverbände auf die Forderung nach Schmerzensgeld gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch verzichtet und sich auf Schadenersatz nach dem Arzneimittelgesetz beschränkt. Im Gegenzug erklärten sich Gruson zufolge die Pharmaversicherer bereit, Schadenersatz auch vor dem Ausbruch der eigentlichen Krankheit zu leisten. Die Zahlungen werden individuell zwischen Versicherern und Betroffenen geregelt. Ein Schmerzensgeld nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch hatte die Pharmaindustrie kategorisch abgelehnt, da dies ein „schuldhaftes Handeln“ voraussetze, erklärte der Justiziar des Pharmaverbandes, Axel Sander, in Frankfurt. Nach Angaben des Haftpflichtverbandes der Deutschen Industrie haben sich bisher rund 350 infizierte Bluter mit Schadenersatzforderungen bei den Versicherern gemeldet. Den übrigen Betroffenen bleibt nach der getroffenen Vereinbarung bis zum Ende des Jahres Zeit, ihre Forderungen anzumelden. Bis zu diesem Zeitpunkt verzichteten die Versicherer auf die Einrede der Verjährung. Ausschlaggebend für die bereits im März praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit erzielte Einigung war nach Angaben Grusons die für die Betroffenen immer knapper werdende Zeit: „Da ist der Spatz in der Hand besser als die Taube auf dem Dach.“ PORTRAIT

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