Cohabitations–Finale

■ TV–Duell zwischen Mitterrand und Chirac

Der Denkzettel, den Jean–Marie Le Pen beim ersten Wahlgang zur französischen Präsidentschaftswahl den etablierten Parteien verpaßte, ist beim traditionellen Fernsehduell der beiden Kontrahenten erfreulicherweise nicht haften geblieben. Die Buhlerei um rechtsradikale Stimmen blieb aus, weil der Wahlkampf entschieden ist. Statt dessen erlebte Frankreich das große Finale der Cohabitation. Jacques Chirac bewahrte nach der Niederlage einen kühlen Kopf. Er hat offenbar erkannt, daß er sich im Anzug des populären Volkstribuns mit Le Pen nicht messen kann. Mit dem Rückzug in die Rolle des Premierministers, der seine Regierungsbilanz verteidigt, sann er bereits auf die Zeit nach der Wahl. Angesichts des Zuwachses der Rechtsradikalen ist die Vormachtstellung der Bürgerlichen in der Opposition zu Mitterrand gefährdet. Fällt die Wahlniederlage Chiracs am 8.Mai katastrophal aus, kann es bereits bei vorgezogenen Parlamentswahlen zu einem weiteren Erdrutsch zugunsten der Rechtsradikalen kommen. Einbrüche der Bürgerlichen kündigen sich aber auch bei den innerhalb eines Jahres bevorstehenden Kreis–, Gemeinde– und Europawahlen an. Hier kann die Partei Jean–Marie Le Pens sowohl vom Verhältniswahlrecht als auch von ihrer Stimmenkonzentration in den Städten profitieren. Chirac weiß, daß für ihn nicht mehr nur eine Wahlniederlage, sondern das politische Überleben überhaupt auf dem Spiel steht. So versäumte es der von seinen politischen Gegnern gefürchtete Redner diesmal, sein Gegenüber herauszuford Straßburg. Und irgendwann ist es dann zu spät. Georg Blume