: Streichholz im Datennebel
■ In Bremen versuchen die Grünen den Verfassungsschutz parlamentarisch zu kontrollieren Bremen führt Mitteilungspflicht für Sicherheitsüberprüfung in Rüstungsbetrieben ein
Aus Bremen Dirk Asendorpf
„Alle meine Daten sind beim Verfassungsschutz gelöscht“, freute sich gestern der Bremer Grünen– Bürgerschaftsabgeordnete Martin Thomas, bundesweit einziges Grünen Mitglied einer Parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes, schränkte jedoch ein: „Wenn ich nicht Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission wäre, dann wären sie sicherlich noch genauso vorhanden wie die Daten meiner Ex–Genossen aus der KPD“. Mit den Stimmen der SPD war Thomas Ende vergangenen Jahres als erster Grüner in den Ausschuß zur Kontrolle des Verfassungsschutzes berufen worden. Zur gestrigen zweiten Sitzung hatte er Einsicht in seine eigene Akte verlangt. Auch über seinen grünen Fraktionskollegen, einen Ex–KBW–Funktionär, läge nichts mehr vor, teilte der VS mit. Doch ein Abgeordneter ist mit Sicherheit noch im VS–Computer gespeichert: der in Bremerhaven mit über fünf Prozent gewählte Kandidat der deutsch–nationalen DVU, Hans Altermann. Mehr als 600 Mitglieder hat die Partei des Münchner Nationalzeitungs– Herausgebers Gerhard Frey inzwischen in Bremen. Diese Zahl bestätigte der Verfassungsschutz gestern auf Thomas Nachfrage. Damit hat die DVU im kleinsten Bundesland bereits eine breitere Basis als Grüne und FDP. Auf der Tagesordnung des streng vertraulich tagenden Gremiums stand auch die VS–Über prüfung bei Neueinstellungen im „sicherheitsgefährdeten Bereich“ der Wirtschaft. Über 50 Firmen fallen in Bremen, das reich an Rüstungsproduktion ist, unter die Voraussetzungen, um eine Überprüfung beantragen zu können. Geschah dies bislang ohne Wissen der BewerberInnen, sollen diese in Zukunft Mitteilung über die Anfrage nach ihren Daten beim Verfassungsschutz erhalten. Zwar ist die Firma nicht verpflichtet, ihnen das Ergebnis mit zuteilen, doch bei einer Ablehnung ihrer Bewerbung hätten sie die Möglichkeit, den Datenschutzbeauftragten um Überprüfung zu bitten. Eine entsprechende Neuregelung hat auch Bundesinnenminister Zimmermann angekündigt. Die Mitteilungs–Pflicht steht jedoch im Zusammenhang mit einer Ausweitung der VS–Überprüften: In Zukunft sollen auch Verlobte, LebensgefährtInnen und „andere Personen des näheren Lebensumfeldes“ einbezogen werden dürfen. Während für die bundesweite Regelung erst noch Details erarbeitet werden sollen, sollen in Bremen ab sofort BewerberInnen im „sicherheitsgefährdeten Bereich“ über ihre Durchleuchtung informiert werden. Bremens Innensenator Bernd Meyer: „Die sollen in Zukunft einen Zettel mit Namen und Adresse ausfüllen, der dann direkt an den Verfassungsschutz geht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen