: Weimars Mut zum Abenteuer
■ Mit einer juristischen Mogelpackung rettet der hessische Umweltminister die Brennelemente–Fabrik Alkem vor der Stillegung / Hessen–Grüne geißeln den „Knecht der Atomindustrie“ und seine „Rechtsverbiegung“
Berlin (taz) - Heftige Kritik von Grünen und Sozialdemokraten mußte sich gestern im hessischen Landtag Umweltminister Weimar anhören. Mit einem Akt freier Rechtsschöpfung hatte Weimar vergangene Woche die drohende Stillegung des Brennelemente– Herstellers Alkem verhindert. Letzten Mittwoch hatte der Minister bekanntgegeben, daß zwei der vom Hanauer Landgericht als eindeutig rechtswidrig eingestuften Vorabgenehmigungen kurzerhand in ordentliche Teilgenehmigungen „umgewandelt“ werden. Auf der Grundlage dieser Genehmigungen soll die Alkem mindestens zwei Jahre weiterproduzieren - bis zur Fertigstellung ihres Neubaus. Der Sachverhalt ist so kompliziert, wie er in Hanau immer war: Es geht um das alte (heutige) Produktionsgebäude der Alkem, die in diesem Bau unter Einsatz von beträchtlichen Mengen an Plutonium Brennelemente zusammenbaut. Eine ordentliche Genehmigung hat es für diese brisante Produktion nie gegeben. Statt dessen hat die hessische Landesregierung jahrelang provisorische sogenannte Vorabzustimmungen erteilt, was aber ein glatter Rechtsbruch war, wie das Hanauer Landgericht in seinem Alkem–Urteil feststellte. Hätte Minister Weimar als Konsequenz des Alkem– Urteils nun die Vorabzustimmungen komplett zurückgenommen, hätte in Hanau der Produktions– Stopp vor der Türe gestanden. Um dies zu umgehen, wurden von ihm lediglich drei Vorabzustimmungen, die für den Weiterbetrieb aber nicht relevant sind, widerrufen, zwei weitere dagegen in „ordentliche Teilgenehmigungen nach dem Atomgesetz“ umge wandelt. Weimar sieht damit „die Rechtssicherheit wieder hergestellt“. Gegen diesen „krassen Rechtsbruch“ haben die hessischen Grünen scharfen Protest erhoben. Joschka Fischer warf Weimar „dienstbeflissene Knechtschaft gegenüber der Atomindustrie“ vor. Grünen–Sprecher Georg Dick verwies auf das Atomgesetz, das für die Erteilung von Teilgenehmigungen ein „positives Gesamturteil“ zwingend vorschreibe. Davon könne bei der Altanlage der Alkem keine Rede sein. Im Gegenteil: Gerade weil der Altbau nicht genehmigungsfähig sei, werde überhaupt der Neubau hochgezogen. Umweltminister Weimar wiederum beruft sich auf den Sicherheitsbericht für den Neubau, der nach seinem Standpunkt die gesam–te Alkem–Anlage umfasse. Mit Rückgriff auf diesen Sicherheitsbericht und die auf seiner Grundlage erteilte erste Teilgenehmigung für den Neubau könne er jetzt auch den Altbau teilgenehmigen. Nicht nur Grüne und SPD sehen darin eine „abenteuerliche Rechtskonstruktion“. Michael Sailer vom Darmstädter Öko–Institut bezeichnete Weimars Lösung als juristischen Trick, der ausschließlich dazu diene, die Plutonium–Verarbeitung in einem Gebäude aufrechtzuerhalten, das weder gegen Flugzeugabstürze noch gegen Erdbeben gesichert ist. Sailer: „Die alte Alkem ist ein stinknormaler Fabrikbau.“ Ex–Minister Fischer nannte die Weimarsche Genehmigungspraxis eine „erneute Rechtsverbiegung“, damit „koste es, was es wolle, Alkem weiter produzieren kann“. Manfred Kriener
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