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Bush und Dukakis im Rennen um die Macht

■ Dukakis voraussichtlich demokratischer Kandidat für Präsidentschaftswahlen / Vorsprung vor Jesse Jackson vergrößert Dukakis ein Champion der Sozialpartnerschaft / Der Republikaner George Bush glänzt mit aufgewärmtem Reaganismus

Aus Washington Stefan Schaaf

Fünf Wochen vor dem Ende des Vorwahlmarathons sind die Würfel für die eigentliche Auseinandersetzung im Herbst wohl gefallen: Mit Bush und Dukakis stehen die Kandidaten der beiden großen Parteien so gut wie fest. Im Rennen um die Nominierung als demokratischer Präsidentschaftskandidat hat der Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, seinen Vorsprung auf den schwarzen Bürgerrechtler Jesse Jackson vergrößert. Dukakis gewann am Dienstag in den US–Staaten Indiana 70 Prozent und in Ohio 63 Prozent der Stimmen. Nach Auszählung von über 90 Prozent der Stimmen erhielt sein letzter verbliebener Konkurrent Jackson in Indiana 22 und in Ohio 27 Prozent. In der Bundeshauptstadt Washington feierte der schwarze Prediger einen triumphalen Sieg: Hier gewann er dem nicht offiziell bestätigten Endergebnis zufolge 80 Prozent der Stimmen, Dukakis 17 Prozent. Doch dieser haushohe Sieg wird Jackson nicht mehr viel helfen. Auf der einen Seite steht nur der effiziente Technokrat aus Massachussetts, der seine Kampagne mit der methodischen Gründlichkeit eines Managers um riskante Klippen manövrierte, auf der anderen Seite der treue Sachwalter eines populären, wenn auch mittlerweile recht ramponierten Politzauberers. Bush hofft, daß der Glanz seines Mentors genug abgefärbt hat, um die Wahl im November gewinnen zu können. Vor einem Dreivierteljahr wußte noch kaum jemand, wer dieser Michael Dukakis eigentlich sei. Eine Umfrage im August letzten Jahres wies ihn als den Wunschkandidaten von gerade fünf Prozent der demokratischen Wähler aus, weit hinter dem damaligen Favoriten Gary Hart und den mittlerweile geschlagenen Konkurrenten Jesse Jackson, Paul Simon, Albert Gore und Richard Gephardt. Er sei Gouverneur von Massachusetts, und seine Eltern seien aus Griechenland eingewandert, so wurde er in Fernsehberichten beschrieben. In seinem Bundesstaat habe er gezeigt, wie erfolgreiche Wirtschaftspolitik gemacht werde, aber um Präsident zu werden, fehle ihm die Leidenschaft, das Charisma. Er sei ein Macher und kein Schwätzer, verwahrt sich Dukakis gegen diese Kritik. Bisweilen setzt er seinen Schwachpunkt ganz offensiv ein: „Nach sieben Jahren Charisma“, so sein Seitenhieb auf den jetzigen Bewohner des Weißen Hauses, „ist vielleicht ein wenig Kompetenz angebracht“. Seinen Heimatstaat Massachusetts stellt er als ein amerikanisches Musterländle dar, zum Teil zu Recht. Unter Gouverneur Dukakis hat der Staat Massachusetts, konträr zur Wirtschaftspolitik Ronald Reagans, eine sehr aktive wirtschaftspolitische Rolle gespielt, Dutzende von Programmen initiiert und gezielt Firmen, vor allem im High–Tech–Bereich, angesiedelt. Ihnen wurden Straßen gebaut und bei der Finanzierung von Kindergärten geholfen. Die Arbeitslosigkeit in Massachusetts ist mit 2,8 Prozent nur halb so hoch wie im US–Durchschnitt, Firmen machen nicht reihenweise dicht, sondern versuchen, in Kooperation mit Gewerkschaften und der Staatsregierung in Boston Rettungswege zu finden. Die sozialpolitische Krönung von Dukakis Gouverneurstätigkeit kam vor zwei Wochen, als er ein Gesetz unterzeichnete, welches allen BürgerInnen von Massachusetts eine Krankenversicherung garantiert. Kritiker werfen die Frage auf, ob der wirtschaftliche Aufschwung von Massachusetts tatsächlich das Verdienst von Gouverneur Dukakis sei oder nicht vielmehr mit der allgemein verbesserten Wirtschaftslage in den USA zusammenhängt. Vor allem haben sie Zweifel, daß das Beispiel von Massachusetts ohne weiteres auf das gesamte Land übertragen werden kann. Die Wähler jedoch honorieren den Versuch, Arbeitsplätze und soziale Sicher heit zu schaffen.Dukakis ist noch etwas gelungen, woran sein republikanischer Gegner kläglich scheiterte: Massachussetts hat, trotz der wirtschaftspolitischen Initiativen, einen ausgeglichenen Staatshaushalt. Der Gouverneur schlägt einen unkonventionellen, von seinen Konkurrenten belächelten Weg vor, das gleiche Ziel auf Bundesebene zu verwirklichen. Dukakis will die jährlichen Einnahmen Washingtons um mehr als 100 Milliarden Dollar erhöhen, indem er Steuersünder aufspürt und zur Kasse bittet - Steuererhöhungen könnten so umgangen werden. Am Militärhaushalt will er lieber nicht kürzen. In der Dritten Welt gilt seine Sympathie bürgerlich– parlamentarischen Experimenten wie der Alfonsin–Regierung in Argentinien oder der Aquino–Regierung auf den Philippinen. Was George Bush will, bleibt den meisten AmerikanerInnen hingegen weiterhin ein Rätsel. Nachdem er bereits sieben Jahre als Vizepräsident im Weißen Haus verbracht hat, will er die AmerikanerInnen gegenwärtig davon überzeugen, daß eine aufgewärmte Version des Reaganismus einem Machtwechsel vorzuziehen sei. Umfragen deuten gegenwärtig darauf hin, daß dies als Strategie zu wenig ist. Wenn morgen in den USA gewählt würde, hieße der Sieger, so die Meinungsforscher, wahrscheinlich Michael Dukakis.

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