: „P&O“ am längeren Hebel
■ Die erhofften Solidaritätsaktionen für die streikenden Seeleute in Dover lassen auf sich warten / Beschlagnahme des Gewerkschaftsvermögens erschwerte den Arbeitskampf
Aus London Rolf Paasch
Statt wie erhofft auf einer Welle der Solidarität zu schwimmen, steht den britischen Seeleuten nach der gerichtlichen Beschlagnahme ihres Gewerkschaftsvermögens nun das Wasser bis zum Halse. Die Erwartungen der streikenden Seeleute im Hafen von Dover, daß ihnen nun Seeleute und Dockarbeiter in den anderen Häfen des Landes mit neuen Solidaritätsaktionen zu Hilfe kommen würden, sind bisher enttäuscht worden. Auch der Aufruf ihres Gewerkschaftssekretärs Sam McCluskie an die Matrosen und Offiziere der britischen Handelsmarine, sich dem Ausstand der Fährleute anzuschließen, scheint kaum befolgt worden zu sein. Mitarbeitern und Mitgliedern der Seeleutegewerkschaft NUS wurde dagegen am Mittwoch schlagartig klar, in welchem Ausmaß die Zwangsverwaltung des Gewerkschaftsvermögens von rund acht Mio. DM und die Besetzung ihres Hauptquartiers durch den Gerichtsvollzieher die Organisation des Streiks in Zukunft erschweren wird. Die Zwangsverwaltung war am Dienstag von einem Londoner Obergericht verfügt worden, nachdem die von einem Solidaritätsstreik betroffene Reederei „Sealink“ gerichtlich gegen die nach den neuen Gewerkschaftsgesetzen illegalen Sympathiestreiks vorgegangen war. Auch allen anderen Gewerkschaften, die die streikenden Crews in Dover in ihrem Arbeitskampf gegen die P&O unterstützen wollen, droht eine Beschlagnahme ihres Vermögens. Die Reederei P&O hält unterdessen an ihrem Rationalisierungsplan fest, der die Entlassung von 360 Seeleuten und eine - wie die Fährleute behaupten „sicherheitsgefährdende“ - Verlängerung der Arbeitszeiten vorsieht. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke spielt P&O die Vorreiterrolle, wenn es gilt, die Ärmelkanalflotte auf die Konkurrenz durch den Kanaltunnel in den 90er Jahren vorzubereiten. Der nunmehr in die 14. Woche gehende Arbeitskampf in Dover dürfte die auch im Containergeschäft operierenden Unternehmen „P&O“ und „Sealink“ erst dann wirlich treffen, wenn von der NUS bis in die profitablen Sommermonate durchgehalten werden kann. Die Seeleutegewerkschaft befindet sich in einer viel schwächeren Position. Konnten die Streikaktionen der NUS 1966 noch einen nationalen Notstand auslösen, so hat die Halbierung der britischen Handelsflotte die Mitgliedschaft der einst militanten Gewerkschaft seitdem auf ganze 20.000 Seeleute schrumpfen lassen. Die Fährunternehmen können sich dagegen im gegenwärtigen Arbeitskampf nicht nur auf Maggies Gesetze und Gerichte verlassen, sie haben auch noch eine andere Option. Sollten die Streikaktionen anhalten, dann könnten die Fährunternehmen dem Beispiel anderer Reedereien folgen und ihre Flotte mit nicht organisierten Seeleuten unter ausländischer Flagge fahren lassen.
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