: Stunk um stinkende Giftgase aus der Maxhütte
■ Maxhütte setzt verstärkt Schwefelgiftgase frei / Seit Monaten erhöhte Belastung für die Bevölkerung / Ärzte stellen Zunahme von Bronchialkrankheiten fest / Konkursbetrieb hat kein Geld für Umweltschutz / Mangelnde Schutzvorkehrungen festgestellt
Aus München Luitgard Koch
Ein Gestank nach faulen Eiern liegt über dem Talkessel. Für die Einwohner im oberpfälzischen Sulzbach–Rosenberg nichts Neues. Immer wieder hatten sie, besonders bei Inversionswetterlage unter dieser Geruchsbelästigung zu leiden; dann nämlich hängt eine stickige Smogglocke über dem Ort. Verursacher dieser speziellen Duftnote: Das Stahlwerk Maxhütte, das im vergangenen Jahr bundesweit für Schlagzeilen sorgte, weil die Schließung bevorstand. Seit vergangenemn Herbst hat sich die Situation für die Sulzbach–Rosenberger jedoch noch verschlimmert. Zu diesem Zeitpunkt stellte die Maxhütte die Verhüttung des eigenen Leonie– Erzes aus Auerbach ein und stieg auf Fremderze und Schrott um. Dadurch werden in erhöhtem Maß Schwefelgiftgase, nämlich Schwefeldioxid und Schwefelwasserstoff, freigesetzt. Aber nicht nur die veränderte Hochofenfüllung, sondern auch mangelhafte Schutzvorkehrungen führen zu dem erhöhten Giftgasausstoß. Außer der Bevölkerung leiden darunter natürlich auch die Hochofenarbeiter. Für den Umgang mit gefährlichen Stoffen am Arbeitsplatz gibt es entsprechende Richtlinien für die „maximale Arbeitsplatz–Konzentration von Schadstoffen“ (MAK). Der zulässige „MAK–Wert“ für Schwefeldioxid am Hochofen von zwei ppm wird jedoch in der Maxhütte beim Hochofenabstich, der viermal pro Schicht durchgeführt werden muß, um ein vielfaches überschritten. In einem Merkblatt des DGB– Ortskartells von Sulzbach–Rosenberg wird Schwefeldioxid als farbloses, giftiges, wasserlösliches Gas bezeichnet, das Luftfeuchtigkeit anzieht und Aerosole bildet. Zur Wirkung heißt es: Reizt Haut, Augen und Atemwege, Vergiftung durch Einatmen, Bewußtseinsstörung und spät eintretendes Lungenödem möglich. Schwefelwasserstoff, der als schweres Atemgift bezeichnet wird, kann ebenfalls zu Lungenödemen führen und löst in geringerer Konzentration Übelkeit, Erbrechen, Atemnot bis hin zur Bewußtlosigkeit und Krämpfe aus. Die Ärzte in Sulzbach–Rosenberg können dies nur bestätigen. So registriert der Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands und praktischer Arzt im Ort, Dr. Hans Kliesch, seit Herbst vergangenen Jahres einen auffälligen Anstieg von Atemwegs– und Bronchialerkrankungen, vor allem bei Kindern. Auch die Fälle von untypischen Lungenentzündungen mit überdurchschnittlichem Krankenhausaufenthalt haben zugenommen, berichten die Krankenhausärzte. Ein anderer Arzt schloß nicht aus, daß bei der Verhüttung des oft stark verunreinigten Schrotts sogar Dioxin freiwerden könnte. Für den Chemiker und Umweltbeauftragten des Unternehmens, Dr. Bruno Zischka, sind das noch keine Alarmsignale. Von außergewöhnlichen Emissionen im Zusammenhang mit dem Hochofenprozeß will er nichts wissen. „Alles normal für ein Hüttenwerk, wie wir es darstellen.“ Der Betriebsrat hat dazu eine andere Meinung. Er hat bereits Gegenmaßnahmen zum Schutz der Arbeiter gefordert und erste Vorkehrungen getroffen. Um rund um die Uhr Messungen durchführen zu können, wurden Geräte im Bereich der Öfen aufgestellt. Das Problem könnte grundsätzlich mit einer anderen Hochofenfüllung gelöst werden. Dadurch würden weniger Schadstoffe ausgestoßen. Der Nachteil: die Roheisenproduktion würde verteuert. Um Abhilfe aus der Giftmisere zu schaffen, wandte sich der Betriebsrat u.a. auch an den Konkursverwalter, Dr. Jobst Wellensieck. Wellensieck vertröstete die Arbeitnehmervertretung mit dem Hinweis auf die zwölf Millionen Mark, die angeblich die Anteilseigner an der „Maxhütte–neu“ in Umweltschutzmaßnahmen investieren wollen. Doch noch existiert keine Maxhütte–neu.
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