piwik no script img

Vor einer Rebellen–Regierung in Afghanistan

■ Rebellen–Allianz setzt auf Luftbrücke und internationale Anerkennung einer provisorischen Mudjahedin–Regierung / Vorgespräche mit westlichen Botschaftern / Pakistan soll Vorreiter sein / Flüchtlinge als Manövriermasse

Peshawar (wps) - Die Sieben– Parteien–Allianz der afghanischen Mudjahedin plant die Einrichtung einer provisorischen Regierung auf afghanischem Boden. Verhindert werden soll, daß die Kabuler Regierung internationale Anerkennung findet, sobald der Truppenabzug begonnen hat. Eine endgültige Entscheidung soll bald getroffen werden. Nach gutunterrichteten Mudjahedin–Quellen hat das 50 Kilometer von der pakistanischen Grenze entfernte Tal Jaji in der Provinz Paktia die besten Chancen. Die Kabuler Regierung verfügt dort nur über einen kleinen Stützpunkt und Landeplatz, den die Rebellen glauben ohne große Schwierigkeiten einnehmen zu können. „In weniger als zwei Monaten werde ich mit all meinen Ministern in Afghanistan sitzen“, kündigte der designierte Premier Minister Ahmad Shah dem Guardian in einem Exklusivinterview an. „Eine Regierung im Exil auszurufen ist nicht effektiv, besser ist es, wenn wir unser Wiederaufbauprogramm von innen beginnen können.“ Der große bärtige Ingenieur, der in den Vereinigten Staaten und Kabul studierte, lehrte in Saudi Arabien, bevor er 1979 nach Peshawar kam. In den letzten Tagen traf er mit den Botschaftern der BRD, Griechenlands und Dänemarks zusammen, wie auch mit Vertretern der europäischen Kommission. Flankiert wurde er von Gulbaddin Hekmatyar, dem derzeitigen Sprecher des Widerstands und Chef der radikal–islamistischen „Islamischen Partei“, nebst zwei weiteren Mitgliedern der Sieben–Parteien Allianz. Sie drängten die westlichen Botschafter, ihre provisorische Regierung anzuerkennen und keine Hilfsgelder über Kabul zu leiten. Die Botschafter hätten ihnen zugesichert, die humanitäre Hilfe werde auch weiterhin über Pakistan an die afghanischen Flüchtlinge gehen; jegliche andere Hilfe werde eher über die UNO als die Kabuler Regierung laufen. Über die Anerkennung werde allerdings noch weiter diskutiert. Tatsächlich erkennen die meisten europäischen Regierungen eher Staaten als Regierungen an, und es erscheint unwahrscheinlich, daß die Mudjahedin– Regierung Anerkennung findet, solange es ihr nicht gelingt, Kabul einzunehmen. „Sie warten darauf, daß uns einige muslimische Länder anerkennen. Wir erwarten, daß Pakistan den ersten Schritt macht.“ Obwohl Pakistan das Genfer Abkommen unterzeichnet hat und sich verbürgte, Afghanistans Souveränität anzuerkennen, erklärt die Pakistanische Regierung gleichzeitig, daß sie die gegenwärtige Regierung in Kabul nicht akzeptiere. Ein Sprecher des Außenministeriums bezeichnete sie als illegitime Marionettenregierung. Auch die USA haben am Freitag zu erkennen gegeben, sie seien unter bestimmten Bedingungen zur Anerkennung einer provisorischen Regierung der Rebellen bereit. Der Sprecher von Außenminister George Schultz, Charles Redman, nannte als Voraussetzung unter anderem, „daß eine Regierung das Land unter Kontrolle hat, über eine effektive Regierungsorganisation verfügt, in der Lage ist, den vereinbarten internationalen Verpflichtungen nachzukommen und breite Unterstützung genießt“. Eine afghanische Mudjahedin– Regierung in Afghanistan würde es für die Vereinigten Staaten einfacher machen, die Militärhilfe fortzusetzen, ohne offenkundig das Genfer Abkommen zu verletzen. US–Experten haben darauf hingewiesen, das Abkommen schließe nicht aus, afghanisches Gebiet zu überfliegen. Die Mudjahedin könnten so aus der Luft mit Waffen und Lebensmitteln versorgt werden - ähnlich wie die Contras in Nicaragua. Ein anderer Vorschlag läuft darauf hinaus, den Flüchtlingen zwar die Heimkehr zu erlauben, ohne jedoch den Eindruck zu erwecken, sie verließen ihre politische Führung in Peshawar. Die Kabuler Regierung hat die Flüchtlinge zur Rückkehr aufgefordert, doch Ahmad Shah zögerte am Donnerstag noch: „Die Flüchtlinge sollten unseren Befehl abwarten; wenn wir absehen, daß die Zeit gekommen ist, können wir sie schrittweise zurückführen, und sie können ihre Landwirtschaft wieder aufnehmen, ihre Häuser wieder herstellen usw.“ Noch ist nicht entschieden, ob alle Allianz– Parteien in das neue Hauptquartier in Afghanistan einziehen werden. „Vielleicht werden wir Verwaltungen in verschiedenen Gebieten unterhalten.“ Ebenso steht noch aus, ob die sieben Führer des obersten Rates die Sicherheit Peshawars verlassen werden. Jonathan Steele

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen