Linke Genügsamkeit

■ Zur Euphorie nach der Wahl in Schleswig–Holstein

Die Hoffnungsträger–Brötchen werden mit den Jahrzehnten immer trockener. Unser Willy heißt Ende der 80er Björn, und statt mehr Demokratie zu wagen, fordern wir von ihm nur noch, den Ausstieg aus der Atomenergie wenigstens rhetorisch immer mal wieder zu versuchen. Die Reaktionen auf den Wahlerfolg der SPD in Schleswig–Holstein geben mehr Auskunft über die Genügsamkeit der linken Opposition in diesem Land, als daß sie den politischen Verhältnissen angemessen wären. Die SPD ist in Schleswig–Holstein nicht mit einem dezidiert linken oder wenigstens linkssozialdemokratischen Programm angetreten. Und so schnell sollten die Erfahrungen mit dem schnellen Abschied Oskar Lafontaines von Verstaatlichungskonzepten bei Arbed–Saarstahl und seinen Visionen von einem Generalstreik nicht verblaßt sein, daß von dieser SPD „Signale“ für Aufbruch zum Besseren erwartet werden. Aber nicht nur das triste Bild der Sozialdemokratie müßte der linken Freude über die Stimmverluste der CDU einen Dämpfer aufsetzen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, daß ihre landesweit erreichten 54,8 den CDU–Staat sind. Dagegen spricht nicht nur die erst kürzlich errungene absolute Mehrheit der CDU in Baden–Württemberg. Ein Blick auf die in den letzten Monaten geführten großen Auseinandersetzungen zeigt, daß die CDU heute die hegemoniale politische Kraft ist. Sie hat die deutsche Wiedervereinigung erneut zum Thema gemacht, mit ihren Attacken gegen den § 218 hat sie die alte Gleichung, Abtreibung sei Mord, wieder gesellschaftsfähig gemacht, mit ihrer Ausländerpolitik schürt sie einen neuen Rassismus, und wenn die Opposition einmal in den Medien zum Zuge kommt, wie Oskar Lafontaine, dann geht ihr Vorstoß wie die Forderung nach Lohnverzicht zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nach rechts. Oliver Tolmein