piwik no script img

Statt eingebürgert abgeschoben

■ 17 Jahre Aufenthalt in der Bundesrepublik zählen nichts im Vergleich zu einem falschen Stempel / VW–Arbeiter soll nach Frankreich abgeschoben werden, weil er dort als Flüchtling anerkannt ist

Aus Hannover Jürgen Voges

Eigentlich hatte Arslan Yilmaz, der seit 17 Jahren in der Bundesrepublik lebt, beim Ausländeramt der Stadt Braunschweig einen Einbürgerungsantrag gestellt. Doch nun sitzt der türkische Arbeiter, Vertrauensmann im VW–Werk Salzgitter, in der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel und soll nach Frankreich abgeschoben werden, und um ein Haar hätte die Braunschweiger Ausländerbehörde sowohl Arslan Yilmaz als auch den ihm nicht verwandten Ahmet Yilmaz, der seit acht Jahren in der Bundesrepublik lebt, sogar von einem Tag auf den anderen in die Türkei verfrachtet. „Uns ist aufgefallen“, so Winfried Meier, Leiter des Braunschweiger Ausländeramtes, „daß der Stempel in dem Paß von Herrn Arslan Yilmaz nicht vom türkischen Konsulat in Hannover, sondern von dem in Köln stammt.“ Es wurde eine Kopie der Paßseite an die türkischen Behörden geschickt und „dadurch belegt, daß der Eintrag aus dem Jahre 1982 gefälscht war“, sagt der Leiter des Ausländeramts. Danach habe man die eigene Kartei durchforstet und sei dabei darauf gestoßen, daß auch der Paß von Ahmet Yilamz mit dem gleichen Stempel verlängert worden war. Somit war die Rechtslage für Winfried Meier klar: Langjähriger illegaler Aufenthalt, der nach dem bundesdeutschen Ausländergesetz die sofortige Abschiebung rechtfertigt. Natürlich gesteht es auch Herr Meier zu, daß damals nach dem Putsch in der Türkei Oppositionelle bei den Konsulaten Schwierigkeiten mit der Paßverlängerung hatten. „Doch dann geht man eben zum Ausländeramt und sagt, helft mir.“ Anfang der achtziger Jahre allerdings haben gerade bei einigen Dev–Yol Mitgliedern Asylanträge durch die Zusammenarbeit von bundesdeutschen Staatsanwaltschaften und türkischen Behörden zu schnellen Auslieferungen geführt. Deswegen haben Arslan Yilmaz und Ahmet Yilmaz Asyl in der Bundesrepublik erst beantragt, nachdem sie am Montag und Dienstag der vergangenen Woche in Abschiebehaft genommen worden waren. Ahmet Yilmaz, auf den in der Türkei ein Haftbefehl ausgestellt ist, wurde am Dienstag wieder aus der Haft entlassen, da sein Asylantrag nach Ansicht des Bundesamtes für die Anerkennung von Asylbewerbern nicht „offensichtlich unbegründet“ ist. Die Abschiebung von Arslan Yilmaz nach Frankreich steht für Winfreid Meier allerdings fest. In Frankreich hatte Arslan Yilmaz, um sicher zu gehen, im vergangegenen Jahr Asyl beantragt und auch erhalten. Auch 17 Jahre in der Bundesrepublik, so meint der Leiter des Ausländeramtes, würden nichts daran ändern, daß er in das Land ziehen müsse, wo er bereits als Flüchtling anerkannt sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen