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Dänemark in Unsicherheit über neue Koalition

■ Sozialdemokrat Jacobsen wurde die Leitung der Regierungsverhandlungen übertragen / Schlüter bezeichnete seinen Rücktritt als „reine Formsache“ / Große Koalition oder sozialdemokratische Minderheitsregierung? / Rechtspopulist Glistrup verdoppelte Stimmenanteil

Kopenhagen / Bergen (dpa/ taz) - Obwohl die Folketing– Neuwahlen in Dänemark das politische Kräfteverhältnis kaum veränderten, kam es trotzdem zu Überraschungen. Trotz erweiterter bürgerlicher Mehrheit in Dänemark hat der sozialdemokratische Politiker Svend Jakobsen als Parlamentspräsident am Mittwoch von Königin Margrethe die Leitung der Regierungsverhandlungen übertragen bekommen. Den Ausschlag für diese völlig unerwartete Entwicklung gab am Tag nach den vorgezogenen Parlamentswahlen vom Dienstag die Haltung der zum bürgerlichen Lager zählenden Radikalliberalen zugunsten Jakobsens. Er soll allerdings vorerst nur Verhandlungen über die Grundlagen der künftigen Regierungspolitik leiten. In Kopenhagen herrschte nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung große Unsicherheit über die möglichen koalitionspolitischen Konsequenzen. Ministerpräsident Poul Schlüter hatte noch kurz zuvor den Rücktritt seiner Vier–Parteien– Koalition als „Formsache“ bezeichnet und sich ebenfalls um den Auftrag zur Verhandlungsleitung bemüht. Beobachter nannten als Hintergrund für die Nominierung von Jakobsen die Möglichkeit einer großen Koalition zwischen Konservativen, Radikalliberalen und Sozialdemokraten oder einer aus Sozialdemokraten und Radikalliberalen bestehenden Minderheitsregierung. Jakobsen gilt als zum rechten Parteiflügel gehörender Politiker mit besseren Kontakten zum bürgerlichen Lager im Folketing als der neugewählte Parteivorsitzende Svend Auken. Die zweite Überraschung in Dänemark ist der Wahlerfolg Mogens Glistrups, Vorsitzender der rechtspopulistischen dänischen „Fortschrittspartei“. Sein Kommentar zu dem unerwarteten Stimmenzuwachs seiner Partei von 4,8 auf neun Prozent beinhaltet gleichzeitig sein ganzes Programm: „Die Leute möchten weniger Steuern und weniger Mohammedaner im Land.“ Die dänische Linke hatte den Steuerrebellen, der schon seit Anfang der siebziger Jahre auf der politischen Szene in Kopenhagen mit seinen Clownereien für Unterhaltung sorgt, bisher nicht sonderlich ernst genommen. Sein Anhang hat sich aber schon seit längerer Zeit von einem Haufen kauziger Jütländer zu einer Sammlung Rechtsradikaler entwickelt. Am Morgen nach der Wahl erklärten Sozialdemokraten, Sozialisten, Kommunisten und unabhängige Gruppen, von nun an verstärkt die Auseinandersetzung mit der Fortschrittspartei zu suchen. Zur Streitfrage des Wahlkampfes, Dänemarks Verhältnis zur Nato, hatte Glistrup gar keine Meinung. „Die machen in Brüssel ja doch was sie wollen, da können wir lange reden“, wiederholte er ständig. „Das hat der Schlüter von seiner Schnapsidee, wegen so einer Sache Neuwahlen auszuschreiben“, schnaubte der Altvorsitzende der Sozialdemokraten, Anker Jörgensen, nach der Wahl. „Die Rechtsradikalen machen sich über uns lustig und gewinnen damit Stimmen.“ Neuwahlen waren angesetzt worden wegen der Abstimmungsniederlage der bürgerlichen Minderheitsregierung in der Außen– und Sicherheitspolitik vor vier Wochen. Eine Mehrheit aus Sozialdemokraten, Sozialisten und Radikalliberalen hatte für die Annahme einer Resolution gestimmt, nach der verbündeter Flottenbesuch künftig jedesmal ausdrücklich auf die seit über 30 Jahren geltende Atomwaffenfreiheit des Landes hingewiesen werden soll, bevor er in dänischen Häfen anlegt. Briten und Amerikaner drohten Konsequenzen für die Militärzusammenarbeit an, und der konservative Ministerpräsident Poul Schlüter wollte nicht zuletzt mit Rücksicht auf die Verärgerung der Verbündeten durch Neuwahlen endlich „klare Parlamentsmehrheiten“ für seine Politik der Nato–Harmonie schaffen. Offensichtlich aber mögen die Dänen keine „Vernunftswahlen“. Denn seit Dienstag stehen sich die beiden Blöcke nahezu unverändert gegenüber: Der Regierungsblock aus Konservativen, Liberalen, Christdemokraten und Zentrumsdemokraten mit 70 Mandaten und der um zwei Mandate geschwächte sozialistische Block, der 79 von insgesamt 179 Abgeordneten stellt. Die zehn „radikalliberalen“ Abgeordneten der „Radikal Venstre“ stehen wie zuvor auf der Wippe. Deren Vorsitzender Nils Helveg Petersen hat bereits angekündigt, daß sie im Augenblick nicht geneigt sind, ihre Unabhängigkeit zugunsten irgendeiner Seite aufzugeben. Mit anderen Worten: In der Wirtschafts– und Sozialpolitik stimmen sie mit der Regierung, in der Außen– und Sicherheitspolitik öfter mit der Opposition. An der alternativen, Nato–kritischen Mehrheit im Folketing hat sich im Prinzip also nichts geändert. Das mittelmäßige Abschneiden der Opposition ( die Sozialdemokraten konnten sich nur um ein halbes Prozent steigern, bleiben aber mit fast 30 Prozent stärkste Partei) wird von kritischen Beobachtern auf die Zaghaftigkeit zurückgeführt, mit der sie auf die Herausforderung einer „Nato–Wahl“ reagiert haben. Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Auken versuchte bis zuletzt vergeblich, die Regierung auf das Feld der Wirtschafts– und Sozialpolitik zu locken. Die Bedeutung der Resolution zur Atomwaffenfreiheit spielte er im Nachhinein herunter. Gunnar Köhne

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