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„Ein ,Balkan–Tarif würde die Bevölkerung entzweien“

■ Die Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John verzeichnet zunehmende Probleme von Ausländern mit den Kfz–Versicherern / Eine vergleichbar krasse Form der Diskriminierung gibt es bis jetzt nicht

taz: Frau John, die Zahlen, die die AutoversiBarbara John: Nein. Sicher ist diesen Statistiken der Versicherer kaum zu widersprechen, und es gibt verschiedene Gründe, daß die Unfallhäufigkeit bei Versicherten ausländischer Nationalität höher ist. Aber daß die Versicherer jetzt darüber über ihre finanziellen Nöte mildern wollen, ist sehr kurzsichtig. Man kann die finanziellen Probleme mit einem solchen Balkan–Tarif mildern, aber man stürzt die Bundesrepublik und die Integrationsbemühungen in neue Schwierigkeiten. Ein solcher Tarif würde in der Bevölkerung spaltend und entzweiend wirken, denn er würde zwei Klassen von Versicherten schaffen. Ich bin ganz sicher, daß das die rechtliche Ungleichheit verschärft und den Eindruck einer Diskriminierung erweckt. Ich denke, das Problem der Versicherer müßte anders gelöst werden, etwa über höhere Beitragszahlungen bei denen, die tatsächlich Schäden verursachen. Sind Ihnen aus Ihrer Praxis Beispiele bekannt, wo schon eine finanzielle Diskriminie rung durch die Versicherer stattgefunden hat? Es hat verstärkt in den letzten Monaten Anfragen, ja Hilferufe von ausländischen Versicherten gegeben, die Schwierigkeiten hatten, die Versicherungskarte, die Doppelkarte, von den Unternehmen zu bekommen. Oft wurden die Leute wochenlang mit der Bemerkung hingehalten, die Versicherungen prüften noch, ob sie sie aufnehmen könnten. Die ausländischen Autobesitzer konnten ihre Fahrzeuge nicht anmelden, die blieben auf der Straße stehen, und einige mußten deshalb ihre Reisepläne verschieben. Diese Schwierigkeiten sind mir seit langem bekannt, und wir versuchen, sie zu lösen, indem wir uns direkt an die Versicherungen wenden und sie darauf hinweisen, daß eine solche Überprüfung höchstens 14 Tage dauern darf. Sie haben ähnlich wie die Ausländerbeauftragte des Bundes, Frau Funke, häufig schriftlich bei den Versicherern gegen diese Ungleichheit protestiert. Wie waren die ReakDie Reaktionen wiederholten immer die Argumente, mit denen die Versicherungsunternehmen jetzt ihre Klage beim Bundesverwaltungsgericht begründen. Es ist immer auf das höhere Risiko bei ausländischen Versicherten hingewiesen worden, auf Versicherungs–Mißbrauch, auf ungeübtere Fahrweise, auf schlechtere Autopflege. Es waren immer die gleichen Argumente. Ich glaube, daß die Versicherungsunternehmen in dieser Frage nur an sich denken, und ich denke, daß das sehr kurzsichtig ist. Wir schaffen uns damit große Integrationsprobleme, wenn dem Wunsch der Versicherer nachgegeben wird. Sie können nicht der gesamten Gesellschaft ein Riesenproblem aufbürden, um sich aus ihren eigenen Nöten zu befreien. Sie müssen schon in der Frage der Integration gesamtverantwortlich denken und handeln. In der Praxis gibt es sicher viele Fälle einer Ungleichbehandlung von Ausländern. BeiIm Ansatz gibt es eine solche festgeschriebene Ungleichbehandlung in einigen Sportverbänden, wo allein aufgrund des Status als Ausländer eine Zulassung zum Beispiel zu Meisterschaften nicht möglich ist. Aber in dieser krassen Form, wie es jetzt die Versicherer vorhaben, gibt es eigentlich nichts Vergleichbares.

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