: Kieler Filz sollte Gräfins Fall dämpfen
■ Schleswig–Holsteins Sozialministerin Brockdorff und Finanzstaatssekretär Schleifer flogen aus der Regierung / Erster Säuberungsversuch nach der verlorenen Wahl / FDP–Chef Zumpfort wird wohl arbeitslos
Aus Kiel Jörg Feldner
Schleswig–Holsteins Sozialministerin Ursula Gräfin Brockdorff und Finanzstaatssekretär Carl Hermann Schleifer sind am Wochenende in Kiel aus der noch amtierenden CDU–Landesregierung hinausgeworfen worden. Damit hat das CDU–Kabinett auf den neuesten Nach–Barschel–Skandal reagiert: Schleifer hatte für die Gräfin Brockdorff einen Posten als Managerin des brachliegenden Kulturzentrums Schloß Salzau kreiert - und zwar mit 72.000 Mark Jahresgehalt. In der Gewißheit, daß die CDU die Landtagswahlen verlieren werde, hatte Schleifer diese Filzaktion bereits zu Jahresanfang seinem Finanzminister Asmussen avisiert (der hatte „nichts dagegen“, wie er am Wochenende sagte) und im März im Haushaltsausschuß klar gemacht - ohne den Namen der Gräfin zu nennen. Unter öffentlichem Druck hatte die Ministerin am Freitag mittag ihren ab 1. Juni gültigen Arbeitsvertrag zurückgegeben. Dem Vernehmen nach hatte CDU–Spitzenkandidat Heiko Hoffmann gedroht, sie sonst als Ministerin zu entlassen. Der Rückzieher nutzte der Gräfin nichts mehr. Nur Stunden später forderte der CDU–Landesvorstand mit Stoltenberg an der Spitze die Gräfin und den Staatssekretär auf, aus der Partei auszutreten. Dieser in Schleswig– Holstein viel beklatschten Aufforderung folgte wenig später die Entlassung aus dem Kabinett. Schleifer kann das egal sein. Er hat den Posten des Hauptgeschäftsführers der schleswig–holsteinischen Unternehmensverbände so gut wie sicher. Neben seiner Staatssekretärspension von jährlich 100.000 Mark soll er dort ein Jahresgehalt von 300.000 Mark plus Chauffeur und Dienstwagen bekommen, heißt es. Gräfin Brockdorff kann die Entlassung nicht egal sein. Zwar bezieht sie auch Ministerpension, denn die Landtagswahlen fanden nach dem Willen der CDU extra nicht im März, sondern erst am 8.Mai statt. So bekam „Uschi“ die fünf Ministerjahre voll, die sie zum Pensionsanspruch braucht. Aber ihr Stammsitz Gut Kletkamp, den sie vor ihrem Ausflug in die Politik zu einem hübschen und erfolgreichen Tourismusbetrieb ausgebaut hatte, soll in der Krise stecken. Hartnäckige Gerüchte - die aller dings von dem gräflichen Ehepaar und dem benachbarten Adel strikt dementiert werden - sprechen davon, Kletkamp sei durch Spielschulden ins Rutschen gekommen. Ein zweiter Fall von schwarzem Filz in der Stunde des Untergangs wurde letzte Woche vorzeitig bekannt und platzte: FDP–Chef Zumpfort, bald außerparlamentarisch und arbeitslos, wird nicht Distriktchef von 130 staatlichen Lottoeinnahmestellen. Auch diesen Posten hatte Finanzstaatssekretär Schleifer zu vergeben.
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