: Cheftiger oder Papiertiger
■ Nach der Strukturdebatte die Personaldebatte / Wer gibt der taz in Zukunft neue Impulse?
Das Schwierigste steht möglicherweise noch bevor: „Wer soll es denn machen?“. In den nächsten Wochen wird es in der taz nach der Strukturdebatte eine möglicherweise nicht minder heftige Diskussion über jene Personen geben, die als zukünftiges „Management“ dem größten Alternativbetrieb der Bundesrepublik neue Impulse geben sollen. Die Versammlung aller taz–MitarbeiterInnen hat am sonnigen Pfingstwochenende beschlossen, jeweils zwei Personen aus den Bereichen Redaktion, Verwaltung und Technik mit Leitungs–, Koordinations– und Konzeptionsaufgaben zu betrauen und sie auch mit mittelfristigen Entscheidungsrechten auszustatten. Eine „Hierarchisierung“ der taz? Eher wohl eine Antwort auf die offensichtlichen Koordinations– und Entscheidungsdefizite in einem Betrieb, der inzwischen fast 200 Leute beschäftigt und Tag für Tag einen hochkomplizierten, unter ständigem Zeitdruck stehenden Produktionsprozeß zu bewältigen hat. Die taz ist und bleibt ein selbstverwalteter Betrieb. Nach wie vor ist die Versammlung aller taz– MitarbeiterInnen, das halbjährlich tagende „Nationale Plenum“, die oberste Entscheidungsinstanz der taz. Hier werden alle Grundsatzentscheidungen über die zukünftige Unternehmensentwicklung getroffen. Auch die Rolle des vom „Nationalen Plenum“ gewählten Vorstands als zweitem „strategischem“ Gremium bleibt unverändert bestehen. Neu ist die Einführung einer „Management– Gruppe“, die unterhalb der strategischen Ebene agieren und die Zukunft des Projekts in redaktioneller, finanzieller und technischer Hinsicht vorausplanen soll. Umstritten war, mit welchen Kompetenzen dieses Gremium ausgestattet werden sollte. Die versammelten Taz–MitarbeiterInnen billigten ihnen unterhalb der strategischen Ebene begrenzte Entscheidungs– und Anweisungskompetenzen zu. Zum Beispiel werden sie in Zukunft bei Neueinstellungen mitentscheiden. Bisher waren die Abteilungen dabei autonom. „Wir wollen keine Papiertiger“, hieß die Devise. Aber abheben können sie auch nicht: Sie werden vom „Nationalen Plenum“ gewählt und können natürlich auch abgewählt werden. Und gegen jede ihrer Entscheidungen gibt es in Zukunft klar umrissene Einspruchsmöglichkeiten. Informelle Hierarchien, die sich infolge der bisherigen Unklarheit in den Entscheidungsprozessen herausgebildet hatten, werden damit - so ist zumindest die Hoffnung - überflüssig. Was Skeptikern wie ein Schritt zurück in Richtung traditioneller Betriebshierarchien scheinen mag, kann sich in der betrieblichen Realität als ein Schritt zu mehr Durchsichtigkeit und Demokratie erweisen. Martin Kempe
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