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Sinkt das Giftschiff vor Italiens Küste?

■ 2.000 Tonnen Giftmüll an Bord der „Zanoobia“ bedrohen das Meer vor der Toskana, wenn nicht bald eine Lösung gefunden wird / Gesundheitszustand der Matrosen immer schlechter / Kommt noch mehr europäischer Giftmüll zurück?

Aus Marina di Carrara W. Raith

Der Mann von der Guardia di Finanza - Italiens auch für Schiffskontrollen zuständige Finanzpolizei - hebt seine Uniformmütze, kratzt sich am Kopf. „Wir haben ein paar Froschmänner rundherumgeschickt: Löcher haben die keine drin.“ Dann verzieht er das Gesicht: „Aber man möchte es nicht glauben, daß es so ist.“ Tatsächlich zeigt die „Zanoobia“ - seit sechs Wochen vor Marina di Carrara mit 2.000 Tonnen Industriegiftmüll vor Anker gegangen - derzeit bedenkliche Schlagseite. Die kommt nach Behördenmeinung daher, daß sich beim letzten großen Sturm am Wochenende ein Teil der rund 20.000 Fässer selbständig gemacht hat und nun im Schiffsbauch herumkullert. Genauer sieht man das von Ferne nicht; die unruhige See macht eine Annäherung unmöglich, die Ladeluken aber sind seit Montag geschlossen. Doch erscheint uns die Wasserlage wesentlich tiefer als vor einer Woche. Immerhin hat das Gesundheitsamt mittlerweile einen Krankenwagen an der schiffsnächsten Hafenmole stationiert - einen, für derzeit 17 syrische und libanesische Besatzungsmitglieder. Malek, der vorige Woche wegen schwerer Atembeschwerden und Pusteln am ganzen Körper ins Krankenhaus gekommen war, ha ben sie mittlerweile wieder zurückgeschickt auf das Schiff, wo der Gestank nach Angaben des Kapitäns durch mittlerweile aufgegangene Fässer noch schlimmer geworden ist; als das Polizeiboot Malek zurückbrachte, nahmen die Beamten gleich einen anderen Matrosen mit, Mohamad Janoudi - ohne diesmal auf den Arzt zu warten: das total mit Ausschlag zugewachsene Gesicht schien ihnen auch als Laien Indiz genug für eine schwere Erkrankung. Doch sonst lassen sich die Behörden auch durch das SOS–Gefunke des Kapitäns nicht erweichen: das Gift bleibt, wo es ist, und die Mannschaft auch. Mit Aussitzen wird sich das Problem wohl nicht auf Dauer lösen lassen. Vor zwei Tagen nämlich hat der Kapitän mitgeteilt, er habe nun auch Kontakt zu anderen Schiffen, teilweise auf hoher See, teilweise schon in Annäherung an die europäischen Küsten - allesamt beladen mit weiterem Müll, den die Industriestaaten entsorgt haben: in Drittweltländern und meist unter faustdicken Lügen über den Inhalt. „Da kommt möglicherweise eine Lawine auf uns zu“, erklärt Sergio Andreis in einem Dringlichkeitsantrag der Grünen im Parlament, in dem nun die sofortige Entladung der „Zanoobia“ und die Kontaktaufnahme mit allen europäischen Entsorgungszentren gefordert wird: „Wenn die uns bisher zugegangenen Informationen stimmen, schaukeln derzeit mehrere Dutzend solcher Frachter auf den Meeren herum, manche schon seit Jahren und allesamt in schauderhaftem Zustand, sowohl der Mannschaften wie der Schiffe.“ Der Finanzbeamte am Kai gibt „dem Kahn da draußen“ noch drei bis vier Tage. „Wenn sie ihn bis dann nicht entladen haben, löst sich das Problem von selbst - dann sind die Fässer auf dem Meeresgrund. Und das Meer vor der Toskana können wir für die nächsten 20 Jahre vergessen.“ Schon jetzt ist die „Zanoobia“ ein Symbol für Giftmüll–Imperialismus und behördliche Sturheit.

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