Keine einheitliche Aids–Strategie der Union

■ CDU und CSU streiten weiter / Konferenz der Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU ergibt „zwei konkurrierende Auffassungen bei der Aids–Bekämpfung“ / Nordrhein–Westfalen und Bayern gemeinsam für HIV–Pflichttest für Beamten–Anwärter und Strafgefangene

Aus Berlin Gerd Rosenkranz

CDU und CSU können sich nach wie vor nicht über eine einheitliche Strategie bei der Aids–Bekämpfung verständigen. Das geht aus einer Beschlußempfehlung für die in dieser Woche in Berlin tagende Konferenz der CDU/CSU– Fraktionsvorsitzenden im Bund und in den Ländern hervor, die der taz vorliegt. In dem Papier, das am Freitag veröffentlicht werden soll, ist die Rede von „zwei konkurrierenden Auffassungen bei der Aids–Bekämpfung im Inland“. Ohne das Land Bayern ausdrücklich zu nennen, wird davor gewarnt, „über eine Polarisierung die Bekämpfung einer Krankheit zu einem Politikum zu machen“ und so einer „unberechtigten Ausgrenzung von Teilen der Bevölkerung Vorschub“ zu leisten. Das Papier wurde von einer im Juni 1987 eingesetzten Kommission der gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU–Fraktionen erarbeitet. „Beratend“ standen ein Vertreter des Süssmuth– Ministeriums und der bayerische Hardliner Peter Gauweiler zur Verfügung. Aus dem der taz ebenfalls vorliegenden „Bericht über die Arbeit der Aids–Kommission“ geht hervor, daß sich die Kommission im wesentlichen an den - teilweise von den Vertretern aus Nordrhein–Westfalen und Rhein land–Pfalz unterstützten - bayerischen Vorschlägen abarbeitete. Dabei wurde detailliert über das mögliche Vorgehen gegenüber allen als „ansteckungsverdächtig“ eingestuften Gruppen und insbesondere den „Uneinsichtigen“ diskutiert. Für die bayerischen Vertreter sind Drogenabhängige und Prostituierte per se ansteckungsverdächtig, während dies nach Auffassung der anderen Kommissionsmitglieder „allein keinen Ansteckungsverdacht im gesetzlichen Sinne“ begründet. Die Mehrheit der Kommission „lehnte eine ausgesprochene Fahndung nach Uneinsichtigen ab“, heißt es in dem Kommissionsbericht, während die Bayern bei als „ansteckungsverdächtig“ eingestuften Gruppen „gezielt einer möglichen Uneinsichtigkeit nachgehen“ wollen. Die „Aktivitäten der Selbsthilfegruppen (vor allem der Homosexuellen)“ betreffend, rang sich die Kommission zu der Aussage durch, ihre Arbeit sei „positiv und wertvoll“. Eine „wirkungsvolle Kontrolle der öffentlichen Mittel“ sei jedoch nötig und ein „Aufklärungsmonopol der Selbsthilfegruppen“ abzulehnen. In zwei wichtigen Punkten konnten die Bayern immerhin Unterstützung aus Nordrhein–Westfalen für sich verbuchen: Die Vertreter beider Länder wollen „aus beamtenrechtlichen Gründen für Bewerber um die Übernahme als Lebenszeitbeamte den HIV–Test“ verbindlich vorschreiben, „um den notwendigen Nachweis der gesundheitlichen Eignung zu erbringen“. Außerdem verlangen Bayern und NRW für Insassen von Strafvollzugsanstalten den Zwangstest auf „gesetzlicher Grundlage“. Gefangene, die den Test verweigern, sollen „im Vollzug regelmäßig so behandelt werden, als wären sie HIV–positiv“. Die vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen werden im Entschließungsantrag der Fraktionsvorsitzenden kaum aufgegriffen. Stattdessen lobt das Ergebnispapier die Erfolge der Süssmuthschen Aids– Kampagne. „Weitere Maßnahmen“, schließt die Resolution, „können mit neuen Erkenntnissen unausweichlich werden. Die angemessene staatliche Reaktion ist durch die Entwicklung der Krankheit bedingt.“