: Die Stunde der Exekutive Heute vor 20 Jahren wurden die Notstandsgesetze verabschiedet / Höhepunkt der 68er Bewegung, Kraftprobe gegen selbstmanipulierten Parlamentsabsolutismus / Notstandsgesetze haben Wirklichkeitsbild der Linken geteil
Die Stunde der Exekutive
Heute vor 20 Jahren wurden die Notstandsgesetze
verabschiedet / Höhepunkt der 68er Bewegung, Kraftprobe
gegen „selbstmanipulierten Parlamentsabsolutismus“ /
Notstandsgesetze haben Wirklichkeitsbild der Linken geteilt Am 30. Mai '68 wurden die Notstandsgesetze verabschiedet. Höhepunkt der 68er Bewegung („Benda - wir kommen“), Höhepunkt linker Parlamentarismuskritik. Helmut Ridder sprach von „unaufgeklärtem, selbstmanipuliertem Parlamentsabsolutismus“. Es war die größte Kraftprobe der neuen Linken gegenüber der „Bonner Demokratie“, Probe auf die Massenbasis linker Intelligenz. Institute wurden besetzt, Theateraufführungen unterbrochen. Der Riß ging durch die SPD, durch die Gewerkschaften. SPD-Genossen demonstrierten gegen „SPD-Bosse“, Gewerkschaftler gegen „Gewerkschaftsbonzen“. Es war aber auch zugleich die Sicherung des Terrains für die künftige SPD/FDP-Regierung.
Begonnen hatte die Notstandsgesetzgebung 1957 (Schröder: „Stunde der Exekutive“). Schröder scheiterte, Reschau scheiterte 1962 an der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit.
Anfang 1968 stand diese Mehrheit noch keineswegs fest. Freidemokraten und SPD-Frondeure hatten zusammen 141 der 496 Stimmen, an der Sperr-Minorität fehlten ihnen nur noch 25 Stimmen. In einer parallelen Fraktionssitzung, unter der fatal-perfekten Kooperation von Barzel und Helmut Schmidt, konnte die SPD parlamentarische Kontrolle gegen Zustimmung in der Notstandsgesetzgebung austauschen. Die Dissidenten schmolzen zusammen. Am Schluß bekam die 49köpfige SPD -Fraktion nicht einmal die eine Stimme von der SPD-Fraktion für eine namentliche Abstimmung. Die Notstandsgesetze haben das Wirklichkeitsbild der Linken geteilt. Die einen sehen im Staatsapparat nichts anderes als die Repressionslawine in Zeitlupe. Die anderen sehen Beweis linker Regierungsfähigkeit. Unter dem Verlust der linken Intelligenz leidet die SPD noch heute und versucht wieder gutzumachen. Aber der erwartete „Notstandsstaat“, die „undemokratische neue Verfassung“, die „scheinplebizitäre Ermächtigung“ blieb zwar ein Schock, aber wurde nicht zur aktuellen Realität. Was aber blieb: Die Erfahrung der Ohnmacht, daß Massendemonstrationen wirkungslos bleiben, in dem Moment, indem eine parlamentarische Maschine in Gang gesetzt worden ist. Die Erfahrung zur Notwendigkeit eines Fußes in der Tür des Parlamentarismus.Klaus Hartung
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