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Menschenschmuggel Gehandelt wird: die Ware Asyl

K O M M E N T A R „Menschenschmuggel“

Gehandelt wird: die Ware Asyl

Zweihundertneunundsechzig Menschen haben entschieden, daß sie dort wo sie leben, nicht mehr leben wollen. Sie haben sich die selbstverständliche Freiheit genommen, in ein anderes Land reisen zu wollen, das ihnen freier erschien. Sie haben dafür teuer, viel zu teuer bezahlt, und jemand hat an diesem Wucher schamlos verdient. Ein zugegeben nicht sehr schöner Handel, aber immerhin in unserer Wirtschaftsordnung doch recht üblich. Was ist daran besonderes, was gar kriminell? Das Besondere: Die zweihundertneunundsechzig Menschen sind Asylbewerber und sie wollten - da wird es offenbar schon kriminell - in ein anderes Land, weil ihnen unser Land nicht gefiel.

„Menschenschmuggel“ heißt jetzt die gängige Sprachregelung, mit der die Medien und Nachrichtenagenturen die geplante Ausreise der Tamilen in Hamburg abstempeln. Doch gerade diese Sprache macht die Asylsuchenden erst zu Handelsobjekten, zu Objekten ohne eigene Entscheidungsfreiheit und ohne eigenen Willen. Und niemand merkt, welch seltsamer „Schmuggel“ dort beschrieben wird, in dem die Ware den Handel selber wünscht und dafür sogar noch bezahlt.

Die eigentliche Ware, um die es geht, heißt jedoch Asyl. Und diese Ware ist von den Regierenden fast aller Staaten inzwischen so rar gemacht worden, daß horrende Preise dafür gezahlt werden. Sie ist von einem Grundrecht zu einem Schwarzmarktprodukt geworden, schwerer zu erstehen als ein paar Gramm Heroin und dabei doch für Millionen Menschen lebenswichtig. Nicht die Menschen werden geschmuggelt, sondern das Recht auf ein Leben in Sicherheit, zu einigermaßen menschlichen Bedingungen. Diejenigen, die hier schmuggeln und aus der Not reichlich Profit machen, nutzen die Gunst der Stunde. Die eigentlichen Dealer sind die Staatsmänner und Bürokraten, die diesen Handel überhaupt erst erzwungen haben.Vera Gaserow

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