: Moskauer Gipfeltreffen unter günstigem Stern Auf beiden Seiten der Gipfelteilnehmer herrscht Optimismus, daß es noch zu zwei weiteren Rüstungskontrollabkommen kommt
Moskauer Gipfeltreffen
unter günstigem Stern
Auf beiden Seiten der Gipfelteilnehmer herrscht Optimismus, daß es noch zu zwei weiteren Rüstungskontrollabkommen kommt Berlin (taz) - Besser als erwartet lassen sich die Gipfelgespräche zwischen dem amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Generalsekretär Michail Gorbatschow in Moskau an. Entgegen allen vorherigen Prognosen von beiden Seiten könnte es schon in dieser Woche nach dem Mittelstreckenraketenabkommen (INF) zu zwei weiteren Rüstungskontrollvereinbarungen kommen. Paul Nitze, der die US-amerikanische Delegation bei den Expertengesprächen über die Abrüstung leitet, zeigte sich am Montag plötzlich optimistisch. Die Außenminister beider Staaten trafen sich.
Der Sprecher des US-Außenministeriums, Charles Redman, sah ein Abkommen über die gegenseitige Vorausunterrichtung bei Versuchen mit Interkontinentalraketen sowie über Maßnahmen zur Überwachung von Atomversuchen auf dem sowjetischen Versuchsgelände in Semipalatinsk und den US -Testeinrichtungen in Nevada in greifbare Nähe gerückt. Noch vor einer Woche hatten amerikanische Regierungsstellen Annäherungen in diesen Punkten für unmöglich erklärt. Reagan und Gorbatschow befaßten sich bei ihrem zweiten Treffen am Montag im Kreml direkt mit den „START-Schwierigkeiten“, um doch noch einen Durchbruch bei der Reduzierung der weitreichenden strategischen Waffen zu erzielen. Gelänge dies, könnte es ein weiteres Gipfeltreffen im Herbst geben.
„Ich habe den Eindruck, wir machen uns beide kein rechtes
Bild über die Lage der Menschenrechte in den USA und der
UdSSR“, erklärte Gorbatschow vor Journalisten und nannte
damit den zweiten Punkt der Gespräche auf höchster Ebene am gestrigen Vormittag. Offensichtlich war der Generalsekretär darüber verschnupft, daß die amerikanische Seite die
Menschenrechte in den Mittelpunkt der Verhandlungen rücken wollte, obwohl die sowjetische Führung schon im Vorfeld des Gipfeltreffens signalisiert hatte, diesen Bereich in
größerem Rahmen weiterbehandeln zu wollen. Gorbatschow hatte zum Beispiel ein ständiges gemischtes Fortsetzung S. 2
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Gremium vorgeschlagen, an dem Deputierte des Obersten Sowjets und Mitglieder des US-Kongresses teilnehmen sollen, um Menschenrechtsverletzungen in beiden Ländern unter die Lupe zu nehmen. Denn nach sowjetischer Auffassung haben die USA keinen Anlaß, die Situation in der Sowjetunion mit Überheblichkeit zu betrachten, zumal die „meisten internationalen Menschenrechtsdokumente seitens Washington noch nicht ratifiziert worden sind“, wie es in einem Artikel des APN-Kommentators Alexander Ignatow heißt, der gleichzeitig auf die „Fehler und Probleme“ in der Sowjetunion hinweist. In diese sowjetische Haltung paßt auch die Information, daß der ehemalige Oppositionelle und Friedensnobelpreisträger Andrej Sacharow am 3.Juni auf Einladung des Außenministeriums eine Pressekonferenz geben darf. Ronald Reagan, der der Sowjetunion eine Klimaverbesserung in dieser Frage zubilligte, ließ sich dadurch jedoch nicht davon abbringen, demonstrativ mit religiösen Dissidenten (nach Redaktionsschluß) in seiner Residenz zusammenzutreffen.
Ursprünglich war das Treffen im Danilow-Kloster geplant, das als Forum für die neuerdings wieder gute Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat in der Sowjetunion gilt.
Der Besuch in dem Kloster war „als Zeichen unserer Sorge um die Religionsfreiheit“ eingeplant worden, erklärte Reagans Pressesprecher Fitzwater. Und Reagan verkündigte in dem restaurierten Kloster ein „neues Zeitalter der Glaubensfreiheit“ in der Sowjetunion.
Daß der Präsident und seine Gattin nur mit einigen Priestern und nicht mit dem Oberhaupt der Russisch -Orthodoxen Kirche, dem 77jährigen Kardinal Pimen, zusammentreffen konnten, mußte bei so viel Engagement für eine „Politik der religiösen Toleranz“ freilich enttäuschen.
Am späten Nachmittag traf sich US-Präsident Reagan mit ehemahligen Häftlingen und Vertretern der jüdischen Dissidenz. Unter ihnen war der Chef-Redakteur der inoffiziellen Publikation „Glasnost“, Sergej Grigurians, den Gorbatschow noch kurz vor dem Gipfeltreffen mit einem Parasiten verglichen hat. An die Unruhen der vergangenen Monate in den Kaukasus-Republiken Armenien und Aserbaidschan erinnerten Frau und Kinder von Paruir Airikjan. Der armenische Nationalistenführer ist schon vor Wochen bei den Unruhen verhaftet worden.
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