: Wien ist die Hölle
■ Prophet Bernhard 1986 über Peymann im Burgtheater
D O K U M E N T A T I O N Wien ist die Hölle
Prophet Bernhard 1986 über Peymann im Burgtheater
Peymann: Moment Fräulein Schneider
Bevor Sie den Brief im Ministerium abgeben
schicken Sie wenigstens zwanzig von den vierzig Burgschauspielern
die jetzt im Cafe Landtmann auf meinen Einspänner sitzen
in das Heim für sinn- und zwecklose Künstler
und sagen Sie dem Minister
daß er mich am Arsch lecken kann
und sagen Sie der Presse
daß sie mich am Arsch lecken kann
und sagen Sie dem Publikum
daß es mich im Grunde am Arsch lecken kann
Schneider (will gehen)
Peymann: Moment
sagen Sie was ich Ihnen gesagt habe
natürlich nicht
natürlich nicht
Fräulein Schneider
sagen Sie im Gegenteil dem Minister
daß ich ihn freudigst erwarte
und sagen Sie der Presse
daß sie mir willkommen ist
und sagen Sie dem Publikum
daß ich es liebe
und noch etwas Fräulein Schneider
sagen Die den Dramaturgen
soweit sie noch nicht gänzlich verschimmelt oder vertrocknet sind
daß ich sie wie ein Stück Brot brauche
und daß mir die Schauspieler alles sind
alles sind alles sind verstehen Sie
Mein Gott Fräulein Schneider
wohinein sind wir gegangen
Wien ist die Hölle das sage ich Ihnen
das Burgtheater ist ein tragikomischer Fleischwolf
Am liebsten würde ich auf allen Vieren nach Bochum zurückkriechen
und dem deutschen Schwachsinn
weiterhin meine Referenz erweisen
Nun sind wir aber in diesem entsetzlichen Österreich
und in der fürchterlichsten aller fürchterlichen Städte
nämlich in Wien Fräulein Schneider
wo selbst dem wunderbarsten und vollkommensten Menschen
die Ehre abgeschnitten wird wie ein zum Tode verurteilter Vollbart
und können nicht mehr zurück
(ruft pathetisch): unser Todesurteil wird vollstreckt
Szene zwischen C.P. und seiner Sekretärin Christiane Schneider in: Thomas Bernhard: „Claus Peymann . . .“, Dramolett, komplett nachzulesen in: Das Bochumer Ensemble, Athenäum 1986
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