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Streit um Hagener Cadmium-Scholle

■ 100.000 Kubikmeter Erdreich sind verseucht und müssen abgetragen werden / Verursacherstreit zwischen der Stadt und einem kommunalen Abwasserverband / Cadmium stammt aus Schlamm einer Kläranlage

Streit um Hagener Cadmium-Scholle

100.000 Kubikmeter Erdreich sind verseucht und müssen

abgetragen werden / Verursacherstreit zwischen der Stadt und einem kommunalen Abwasserverband / Cadmium stammt aus

Schlamm einer Kläranlage

Aus Hagen Anne Weber

Der Stadt Hagen liegt ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Hygiene-Instituts Gelsenkirchen über die Cadmium-Belastung von etwa 100 Hektar Ackerland vor, das eine Cadmium-Belastung von vier bis 430 Milligramm pro Kilogramm Boden nachweist. Eine weitere Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen ist nach Meinung der Gutachter nur möglich, wenn rund ein Viertel des Bodens, etwa 100.000 Kubikmeter Erdreich abgetragen würde.

Die Stadt Hagen will dem Vorschlag des Instituts folgen und etwa 40 cm der „stark belasteten Flächen“ abtragen und auf eine Deponie bringen. Welche Deponie das sein wird, „wissen wir noch nicht“, so der Sprecher der Stadt Hagen, Gerken. Ebenfalls unbekannt ist zum zur Zeit, wer die Kosten der sogenannten Bodensanierung tragen soll. Die Stadt hofft „den Verursacher“ zur Kasse bitten zu können.

Es ist durchaus möglich, daß sie da in die eigene Tasche greifen muß, denn auch die Verursacherfrage ist nicht eindeutig zu beantworten. Das Cadmium stammt aus dem Schlamm einer Kläranlage in Hagen-Vorhalle. Betreiber der Anlage ist der Ruhrverband in Essen, eine Genossenschaft, die im Auftrag der Industrie und Kommunen Abwässer reinigt. Von den sechziger Jahren an bis etwa 1980 hat der Ruhrverband den Klärschlamm an Hagener Bauern abgegeben. Die Landwirte arbeiteten das kostenlose „Düngemittel“ in ihre Ackerböden ein, und der Verband war nach Ansicht Gerkens „froh, das Zeug los zu sein, ohne irgendwelchen finanziellen Aufwand betreiben zu müssen“.

„Nur durch einen blöden Zufall“, so Gerken, ist die Stadt auf das stillschweigende Übereinkommen des Ruhrverbands und der Landwirte gekommen. Das Stadtentwässerungsamt entdeckte bei einem Kontrollgang Ende '79 Bauern, die sich den Klärschlamm abholten. Daraufhin veranlaßte die Stadt, daß die Bauern ihre Erzeugnisse ausschließlich als Futtermittel verwendeten. Gerken: „Das veterinärische Untersuchungsamt übte von da an strenge Kontrollen über den Zustand der Schlachttiere aus. Keine Niere, keine Leber aus der Hagener Viehzucht ist seitdem über einen Ladentisch gekommen. Ein weiterer Lichtblick ist, daß unser Trinkwasser durch das Cadmium nicht verseucht ist.“ Der Ruhrverband gibt an, 1980 wegen „öffentlicher Proteste“ die Abgabe des Klärschlamms eingestellt zu haben. Sein stellvertretender Dezernent, Dr.H.Bode, spricht nach Bekanntgabe des Gutachtens von einem „Altlastproblem“, und das sei nicht dem Ruhrverband als Verursacher zuzuweisen. „Die Abwässer fließen schließlich durch das Kanalnetz der Stadt Hagen. Die sollten mal Zugriffe auf die Industrien, die Einleiter der Schadstoffe, in Erwägung ziehen.“ An diesem Punkt ist die Stadt zurückhaltend. Gerken: „Wir haben Abwässer aus Industrie und Haushalten. Da die Verursacher einzelner Schadstoffe ausfindig zu machen ist schwierig.“ Jetzt hofft Hagen sich mit dem Ruhrverband auf „kulantem Wege“ über das Verursacherproblem einigen zu können.

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