■ BÜHNE BERLIN: GENERALINTENDANZ
B Ü H N E B E R L I N G E N E R A L I N T E N D A N Z Der kulturpolitische Sommerhit Nr. 1: Wer wird neuer Intendant der Staatlichen Bühne Berlins, des größten deutschsprachigen Theaters? Nachdem gestern die 'Berliner Morgenpost‘, in bewährter Manier, ohne erkennbare Recherche den Noch-Intendanten des Hamburger Schauspielhauses, Peter Zadek, ins Gespräch gebracht hatte, war der Pressesprecher des Kultursenators gestern schon ein wenig auskunfts-müde: „Micky Maus und Otto Waalkes“, scherzte Manfred Diderici, „haben sich nicht beworben!“
Dr. Günther Rühle, ehemaliger Feuilletonchef der 'Frankfurter Allgemeinen‘ und jetziger Intendant des Schauspiels Frankfurt, war einige Zeit als heißester Kandidat gehandelt worden. Rühle ist, nach Auskunft des Herrn Diderici vom Sen.Kul., „von einer Interessengruppe ins Spiel gebracht worden, die einer staatstragenden Partei nahesteht“.
Es wird doch wohl nicht die Berliner Bauwirtschaft gewesen sein? In diesem Fall wäre daran zu erinnern, daß Rühle in Frankfurt die Uraufführung von Fassbinders „Die Stadt, der Müll und der Tod“ herausgebracht hätte, wenn man ihn gelassen hätte - und das ist ja nun nicht, wie alle Welt zu glauben schien, ein Stück gegen Juden, sondern ein Stück, das u.a. von hemmungsloser Bauspekulation handelt. Aber diese Interessengruppe hat wohl ohnehin einen empfindlichen Schock erleiden müssen - während des Theatertreffens nämlich, als eine Gerhart-Hauptmann-Inszenierung des (von Günther Rühle geleiteten) Frankfurter Schauspiels gezeigt wurde - und diese Aufführung war gewiß nicht nach dem Geschmack „staatstragender Interessengruppen“.
Also Zadek? Seine persönliche Referentin am Hamburger Schauspielhaus, Corinna Brocher, fände es, wie sie der taz sagte, „ganz wunderbar“, wenn Peter Zadek Intendant oder Schauspieldirektor, jedenfalls künstlerisch verantwortlich für die drei Häuser der Staatlichen Bühnen Berlins würde. Mehr wisse sie nicht, sagte Frau Brocher, die vor jeder einzelnen Antwort hörbare Denkpausen einlegte. Zadek, zuletzt in Hamburg nicht unbedingt geliebt, sorgte dort unter der Intendanz von Ivan Nagel mit Shakespeares „Othello“ und „Wintermärchen“ für Theaterereignisse, die manchen Hamburger Pfeffersäcken skandalös schien - die aber vielen Zuschauern lange und nachhaltig in Erinnerung geblieben sind.
Der Schriftsteller und jetzige Intendant des Württembergischen Staatsschauspiels Stuttgart, Ivan Nagel, wäre ohne Zweifel der bessere Intendant als Zadek selbst. Nagel aber hat keine Lust. „Ich wollte ja gerade mit diesem Beruf aufhören. Ich will ja schreiben. Ich will ja sozusagen ein neues Leben anfangen und nicht ein altes unter schlechteren Bedingungen fortführen!“ sagte er der taz.
Also Zadek ohne Nagel? Wie auch immer: Ich wette mit Senator Hassemer um meinen einzigen Hut: Zadek wird's tatsächlich. („Wie die Morgenpost zufällig einmal recht hatte.“) Schön wär's ja.Klaus Nothnagel
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