: Betr.: Französische Parlamentswahlen
Paris (taz) - Wer die französischen Parlamentswahlen am Sonntag verstehen will, kommt nicht umhin, sich mit dem komplizierten französischen Mehrheitswahlrecht zu beschäftigen. Dort gibt es bekanntlich zwei Wahlgänge: Beim ersten treten alle Kandidaten an, beim zweiten normalerweise nur die beiden besten, sofern keiner von ihnen 50 Prozent der Stimmen beim ersten Wahlgang erreicht hat.
Die gaullistische Tradition aber hat für die zweite Abstimmung eine Nuance im Wahlrecht erfunden, die jetzt von besonderer Bedeutung ist: In den zweiten Wahlgang kann auch ziehen, wer mehr als 12,5 Prozent der Stimmen aller Wahlberechtigten eines Wahlkreises im ersten Durchlauf auf sich vereint. Nur deshalb kommt Le Pen, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen am Sonntag 14,5 Prozent der abgegeben Stimmen erhielt - wenn auch begrenzt -, mit ins Spiel. Die 12,5 Prozent-Hürde bezüglich der Wahlberechtigten, die bei der zu erwartenden niedrigen Wahlbeteiligung durchschnittlich etwa 18 Prozent der abgebenen Stimmen entsprechen dürfte, kann Le Pen möglicherweise in 80 von 577 Wahlkreisen überspringen.
Somit gelangen die Kandidaten der Front National in diesen Fällen in eine Schiedsrichterrolle zwischen Bürgerlichen und Sozialisten. In zahlreichen Wahlkreisen, insbesondere zwischen Marseille und Perpignan, kam es deshalb zu inoffiziellen Absprachen zwischen Front National und Bürgerlichen.George Blume
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