: Ein fauler Kompromiß im Staate Dänemark
■ Die neue dänische Minderheitsregierung stellt ihr Programm vor / Das Kunststück, Atomwaffenfreiheit zu fordern, ohne Atomwaffen zu nennen / Linksliberale opfern Positionen für Regierungsbeteiligung
Ein fauler Kompromiß im Staate Dänemark
Die neue dänische Minderheitsregierung stellt ihr Programm vor / Das Kunststück, Atomwaffenfreiheit zu fordern, ohne
Atomwaffen zu nennen / Linksliberale opfern Positionen für Regierungsbeteiligung / Eigentlicher Gewinner: die
rechtsradikale Fortschrittspartei
Von R. Wolff und N. Rohleder
In seiner Regierungserklärung am Dienstag enthüllte Dänemarks neuer und alter Ministerpräsident Schlüter das Geheimnis des „historischen“ Kompromisses zwischen den Konservativen und den linksliberalen „Radikalen Venstre“: Dänemark habe ein für allemal seine Atomwaffenfreiheit klargestellt, ständiger Wiederholungen bedürfe es daher nicht.
Der Brief an die Kapitäne der „Atomschiffe“ - der eigentliche Auslöser für die Ausschreibung der Neuwahlen wird so formuliert, daß darin das Wort „Atomwaffen“ nicht auftaucht - ein fauler Kompromiß.
Vor diesem Hintergrund muß die ganze Auseinandersetzung um die atombewaffneten Schiffe in dänischen Häfen noch mehr als vorher als purer Vorwand für innenpolitisch genehme Neuwahlen erscheinen. Die Konservativen haben nichts von ihren Positionen aufgeben müssen, der „Radikalen Venstre“ war für den Lohn einer Regierungsbeteiligung offensichtlich kein Preis zu hoch. Auf dem Papier hat es in Dänemark einen Ruck nach links, zur Mitte hin gegeben. Die Realität wird vermutlich ganz anders aussehen. Die linksliberale „Radikale Venstre„-Partei entschied sich nach einer dreiwöchigen Regierungskrise für eine Regierungsbeteiligung. Die neue Drei-Parteien-Koalition besteht aus Poul Schlüters Konservativen Volkspartei, der rechtsliberalen „Venstre„ -Partei unter Führung von Außenminister Ellemann-Jensen und Niels Helveg Petersens „Radikale Venstre“. Zwei kleinere bürgerliche Parteien, die seit 1982 dem Kabinett Schlüter angehörten, scheiden aus der Regierung aus. Die drei Regierungsparteien verfügen nur über insgesamt 69 von 179 Mandaten. Auf Stimmen der Sozialdemokraten und der Sozialistischen Volkspartei wird die Minderheitsregierung nicht zählen können. Im Gegenteil: Die Linksopposition wird alles tun, die „Radikale Venstre“ an ihre alten und offensichtlich als Koalitionspreis aufgegebenen Positionen zu erinnern. Sicherheits- und Umweltpolitik, die umstrittene Brücke über den Großen Belt, Freistaat Christiania, Flüchtlingspolitik und registrierte Partnerschaft für Homosexuelle bildeten die Bereiche, in denen sich Linksopposition und „Radikale Venstre“ bislang einig waren und in denen sie dem Standpunkt der Konservativen gegenüber standen.
Schlüters Regierung wird ihr Mehrheit rechts suchen müssen. Und da sieht sich vor allem die rechtsradikale Fortschrittspartei als eigentliche Wahlgewinnerin. Von der offiziellen Beteiligung an derRegierungsmacht ausgeschlossen, will sie sich so teuer wie möglich verkaufen. Hierauf hat die neue Vorsitzende Pia Kjaersgaard schon hingewiesen. Neben der Wirtschaftspolitik dürfte sie vor allem versuchen, der Ausländerpolitik ihren populistischen Stempel aufzudrücken. Falls die „Radikale Venstre“ bereit ist, noch mehr ihrer vormals heiligen Positionen aufzugeben, wird Schlüters Rechnung aufgehen. Die im August beginnenden Haushaltsberatungen werden zeigen, ob die Regierung Mehrheiten für ihre Politik bekommt - und zu welchem Preis.
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