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Industrialisierung des Tropenwaldes heißt Enteignung

■ Vandana Shiva, Koordinatorin der Research Foundation For Science Technology And Natural Resources in Indien kritisiert ein Weltbankprojekt

I N T E R V I E W Industrialisierung des Tropenwaldes heißt Enteignung

Vandana Shiva, Koordinatorin der „Research Foundation For

Science Technology And Natural Resources“ in Indien

kritisiert ein Weltbankprojekt

taz: Die Weltbank hat zusammen mit dem World Resources Institute (WRI) und dem UN-Entwicklungsprogramm einen Tropenwaldaktionsplan ausgearbeitet. Dieser Plan sieht vor, acht Milliarden Dollar für die Rehabilitation und Bewirtschaftung von Feucht- und Trockenwäldern in ungefähr 56 Ländern zur Verfügung zu stellen. Du hast dieses Programm kritisiert?

Vandana Shiva: Bevor der Tropenwaldaktionsplan initiiert wurde, gab es in Indien bereits von der Weltbank finanzierte sogenannte „Social Forestry„-Projekte, die im Tropenwaldaktionsplan als erfolgreich dargestellt wurden. Die dort ansässigen Menschen dagegen wollten diese Projekte nicht haben, weil sie sahen, daß sie ihre Umwelt zerstören, damit ihren Lebensunterhalt gefährden und ihre rechtliche Lage verschlechtern. Die Projekte veränderten den Zugang zu ihren Lebensgrundlagen, der Zugriff auf diese Ressourcen wurde eine Sache der reichen Leute. Länder wie Indien leben von der Bewirtschaftung des Waldes. Die Weltbank aber hat eine neue industrielle Bewirtschaftung geschaffen, in der kein Platz für Leute ist, die ausschließlich vom Wald leben.

Der Tropenwaldaktionsplan setzt also die alte Projektpolitik fort, ohne Kritik einzubeziehen oder die Lage derjenigen zu berücksichtigen, die von den Plänen betroffen sind?

Es gibt drei Prämissen, die dem Tropenwaldaktionsplan zugrundeliegen, von denen sich die Weltbank dringend verabschieden muß:

1. Der Weltbank zufolge sind es die Einheimischen, die die Wälder zerstören, und nicht die Profite. Eine von uns vervollständigte Regierungsstatistik belegt aber, daß Holz nur einen Anteil von zwölf Prozent am Brennstoffverbrauch hat und nur zwei Prozent der Bäume für die Energieversorgung gefällt werden. Der Rest der gefällten Bäume wird für industrielle und kommerzielle Zwecke genutzt.

2. Dem ganzen Plan liegt die Anmaßung zugrunde, daß irgendwelche Leute in Washington, die noch nie einen Wald gesehen haben, für den Rest der Welt Forstprojekte planen können.

3. Die Weltbank glaubt, daß man die Bedürfnisse von Leuten, die kein Geld haben, kommerziell befriedigen kann. Das Problem ist doch nicht, daß die Menschen in der „Dritten Welt“ keine Ressourcen haben, sondern daß diese Ressourcen in die Marktwirtschaft einfließen und so denen, die keine Kaufkraft haben, entzogen werden. Aus diesem Grund bestehen wir darauf, daß die Frage der Waldwirtschaft eine des Rechtes auf den Boden ist.

Um die Art von Großprojekten durchzuziehen, werden die Einheimischen ihres Bodens beraubt. Auf welcher rechtlichen Grundlage ist das möglich?

Bereits die Briten haben damals sehr fruchtbares Gemeindeland, das von allen gemeinschaftlich bewirtschaftet wurde, zum sogenannten Brachland erklärt, weil dieses Land kein Einkommen für sie abwarf. Die Weltbank hat jetzt die Bewirtschaftung dieses „Brachlandes“ in ihren Tropenwaldaktionsplan aufgenommen. Die Forstabteilungen, daß heißt der indische Staat, pflanzen Eukalyptusbäume an. Auf diese Weise nimmt die Weltbank den Dorfbewohnern ein zweites Mal ihr Land und den dazugehörigen Wald weg.

Worin besteht die Rolle der indischen Regierung? Hängt sie nicht doch von der Weltbank ab, auch wenn sie ganz bestimmte Projekte vielleicht nicht will?

Sehr oft machen Regierungen in der „Dritten Welt“ keine Unterschiede hinsichtlich der Darlehen, die sie bekommen; oft werden sie auch unter Druck gesetzt. Die Weltbank ist multilateral, das heißt, in gewisser Weise ist auch die indische Regierung Teil der Weltbank. Das wiederum bedeutet, daß sich die indische Regierung als Teil der Weltbank selbst Geld ausbezahlt. Die Art und Weise, wie die Weltbank Pläne macht, ist eng daran geknüpft, wie die Regierung sie haben will. Und im Augenblick kann es sich die Regierung noch leisten, die Bedürfnisse der Armen zu ignorieren.

Weil es ihr Interesse ist, am industriellen Fortschritt zu partizipieren?

Die Regierung glaubt, daß wir mit dem Westen gleichziehen müssen. Das bedeutet, an den Haken des Kapitalismus zu geraten, internationale Anleihen aufzunehmen, in die globale Schuldenkrise hineingerissen zu werdens. Bis vor kurzem haben wir diesbezüglich noch eine andere Politik verfolgt. Wir haben uns zwar Geld geliehen, aber nicht in so riesigen Mengen, daß wir es nicht zurückzahlen konnten. Unserer Umwelt ging es damals schon schlecht, die Zahlungsbilanz aber war nicht so übel. Jetzt geht es der Umwelt nicht besser, und unsere Zahlungsbilanz ist miserabel. Wir haben aufgrund der Hilfe der Weltbank unsere Wirtschaft geöffnet, verlieren unsere Ressourcen an den Export und verschulden uns immer mehr.

Die Weltbank hat verschiedene NGOs (Nicht -Regierungsorganisationen) in die Verwirklichung ihres Tropenwaldaktionsplanes eingebunden. Das wird möglicherweise zu Konflikten zwischen NGOs führen. Gibt es in Indien schon Querelen?

Wir haben ziemliches Glück, weil alle NGOs die Weltbankpläne ablehnen. Im Oktober gab es ein Treffen zum tropischen Regenwald, bei dem amerikanische Umweltgruppen die Unterstützung für den von ihnen vorgestellten WRI-Report erhalten wollten. Doch er wurde zu 100 Prozent von den indischen Umweltgruppen abgelehnt. Ein Grund dafür ist meiner Meinung nach die Tatsache, daß die indischen Umweltgruppen aus den Kämpfen um den Wald entstanden sind. Sie können die Basis, aus der sie entstanden sind, nicht ignorieren.

Das World Rainforest Movement arbeitet zur Zeit an einem alternativen Tropenwaldaktionsplan. Wie weit ist dieser Plan gediehen?

Dieser Plan ist der Versuch, weltweit als Bewegung zusammenzuarbeiten, um den Waldbewohnern eine Stimme zu verschaffen. Wir hatten inzwischen fünf Treffen, und es stellte sich heraus, daß es so etwas wie einen einzigen Plan zur Rettung der Regenwälder nicht geben kann. In unserem Bericht, der demnächst erscheinen wird, werden wir über die Erfahrungen von Subsistenzforstwirtschaften berichten und über Aktionen, die bereits stattfinden, um zu zeigen, daß wir niemanden brauchen, der uns erzählt, wie wir den tropischen Regenwald retten können.Das Gespräch führte Daniela Hartmann

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